Die Entscheidung des Amtsgerichts ist im Ansatz zutreffend.
Zutreffend ist insbesondere, dass eine Geschäftsgebühr entstanden ist.
Zutreffend ist aber auch, dass hier zunächst einmal kein Kostenerstattungsanspruch bestand, da der Kläger über seine Fluggastrechte aufgeklärt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt ein Schadensersatz ohne Verzug nur dann in Betracht, wenn der Flugreiseveranstalter den Reisenden nicht über seine Rechte aufgeklärt hat. Darin sieht der BGH eine zum Schadensersatz – auch zum Ersatz der Anwaltskosten – verpflichtende Vertragsverletzung.
Soweit das AG Köln hier allerdings nach dem "Alles-oder-nichts-Prinzip" urteilt, ist dies nicht (mehr) zutreffend. In einem obiter dictum hat der BGH klargestellt, dass diese Betrachtung nicht zulässig ist.
Diese Ausführungen des BGH sind von der Praxis bislang leider noch nicht zur Kenntnis genommen worden, was daran liegt, dass es in dem vom BGH entschiedenen Fall darauf nicht ankam.
In dem entschiedenen Fall hatten die Vorinstanzen einen Schadensersatzanspruch aus Verzug abgelehnt, weil – wie hier – der Anwalt zum Zeitpunkt des Verzugseintritts bereits beauftragt war. Argumentiert wird in diesen Fällen meistens, dass die Kosten des Anwalts ja bereits angefallen seien und daher nicht mehr als verzugsbedingter Schaden angesehen werden können.
In der vorgenannten Entscheidung führt der BGH jedoch aus, dass diese Betrachtung zu kurz greife. Die anwaltliche Geschäftsgebühr werde nämlich durch jede Tätigkeit erneut ausgelöst, sodass eine spätere Notwendigkeit durchaus zum Ersatz der Anwaltskosten führen könne, wenn auch nur teilweise. Die Höhe der Anwaltskosten sei dann nach § 287 ZPO frei zu schätzen.
Diese Argumentation des BGH lässt sich auf alle Fälle übertragen, in denen die Anwaltskosten von einem Dritten zu ersetzen sind. Man muss dann fragen, welcher Teil der Anwaltskosten auf den "verzugsfreien" Zeitraum entfällt und welcher Teil auf den "Verzugszeitraum".
Beispiel
Der Mandant beauftragt den Anwalt, eine Forderung anzumahnen. Erst durch diese Mahnung tritt Verzug ein. Unterstellt werden soll, dass eine 1,3-Geschäftsgebühr bis hierhin angemessen ist. Nach Verzugseintritt wird weiter korrespondiert: Es werden zahlreiche Schriftsätze gewechselt; es werden Gespräche geführt. Schließlich erkennt der Gegner die Forderung an und zahlt. Aufgrund der Gesamttätigkeit soll jetzt von einer angemessenen 1,8-Geschäftsgebühr ausgegangen werden.
Die eine Möglichkeit besteht jetzt darin, die Differenz zwischen der 1,3-Gebühr, die vor Verzug bereits entstanden war, und der 1,8-Gebühr, die nach Abschluss des Verfahrens geschuldet war, als verzugsbedingt anzusehen, also 0,5 (Differenzberechnung).
Eine andere Möglichkeit läge darin, den Gesamtaufwand der anwaltlichen Tätigkeit zu betrachten und zeit- und aufwandsanteilig die Geschäftsgebühr als verzugsbedingt und nicht verzugsbedingt einzustufen (Quotenberechnung).
Rechtsanwalt Norbert Schneider
AGS 4/2020, S. 170 - 172