BGH §§ 280, 286; RVG VV Nr. 2300
Leitsatz
Die anwaltliche Geschäftsgebühr wird auch bei der Erstellung eines durch Algorithmus generierten Mahnschreibens ausgelöst.
AG Köln, Urt. v. 5.3.2020 – 120 C 137/19
1 Sachverhalt
Die Kläger waren am 6.6.2019 auf den von der Beklagten durchzuführenden Flug Y000 von Köln nach Las Palmas gebucht. Ihr Vertragspartner war die U. GmbH. Der Flug hätte regulär um 15.50 Uhr in Köln starten und um 19:35 Uhr am Zielort landen sollen. Er startete verspätet um 23:00 Uhr und erreichte den Zielort um 2:30 Uhr am Folgetag. Am 7.6.2019 gaben die Kläger ihre Flugdaten und sonstige Daten auf der Homepage der Prozessbevollmächtigten ein, die damit eine Mail an die Beklagte generierte, in der die Beklagte zur Zahlung von jeweils 400,00 EUR bis zum 21.6.2019 aufgefordert wurde. Die Mail wurde von dem Mail-Account der Prozessbevollmächtigten abgesandt.
Am 28.6.2019 bevollmächtigten die Kläger die Prozessbevollmächtigten schriftlich mit der Geltendmachung der Ansprüche. Mit anwaltlichem Schriftsatz v. 9.7.2019 forderten sie die Beklagte zur Zahlung auf. Die U. GmbH zahlte an die Kläger 30,00 EUR.
Die Kläger behaupten, die Beklagte habe sie nicht über ihre Rechte nach der Fluggastrechteverordnung informiert. Die Prozessbevollmächtigten erführen erst etwas von dem Fall, wenn die Fluggesellschaften nach Fristablauf nicht leisteten und die Mandanten sich daraufhin mit ihnen in Verbindung setzen. Die 30,00 EUR seien wegen des ausgefallenen Abendessens geleistet worden.
Nachdem die Kläger ursprünglich beantragt haben, die Beklagte zur Zahlung von jeweils 400,00 EUR nebst Zinsen und Rechtsanwaltsgebühren zu verurteilen, hat die Beklagte die Ansprüche i.H.v. jeweils 385,00 EUR nebst Zinsen anerkannt. Am 7.2.2020 ist die Beklagte durch Teilanerkenntnisurteil verurteilt worden.
Die Kläger beantragen nunmehr noch, die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils 15,00 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 147,56 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und Beklagte behauptet, sie habe den Klägern beim Check-in ein Merkblatt über ihre Rechte nach der Fluggastrechteverordnung ausgehändigt.
Sie meint zudem, dass die Rechtsanwaltsgebühren mangels Vorliegens der Verzugsvoraussetzungen nicht erstattungsfähig seien.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet, soweit sie nach Erlass des Teilanerkenntnisurteils noch rechtshängig.
…
Die Kläger können von der Beklagten auch nicht Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 147,56 EUR verlangen.
Dieser Anspruch ergibt sich insbesondere auch nicht aus §§ 280, 286 BGB. Denn den Klägern ist kein Verzugsschaden entstanden. Der Anspruch setzt voraus, dass dem Gläubiger nach Eintritt des Verzugs ein kausaler Schaden entstanden ist. Das war hier nicht der Fall. Denn die Geschäftsgebühr ist hier nicht erst mit Verfassen des Schriftsatzes v. 9.7.2019 entstanden, sondern bereits am 7.6.2019, also vor Eintritt des Verzugs am 22.6.2019. Die Geschäftsgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags (Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV). Dazu gehören die anwaltliche Prüfung und Beratung über das Bestehen von Forderungen und das Verfassen eines Anspruchsschreibens unzweifelhaft dazu. Ob dies durch mündliche Besprechung mit dem Rechtsanwalt, der den Anspruch in seinem Kopf prüft, oder Nutzen eines vorher durch einen Rechtsanwalt programmierten und geprüften Algorithmus geschieht, ist aus Sicht des Gerichts nicht maßgeblich. Es handelt sich um das Betreiben eines Geschäfts i.S.v. Nr. 2300 VV. Am 7.6.2019 haben die Kläger eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen. Sie haben ihre Flugdaten und persönliche Daten einschließlich Kontoverbindung auf der Homepage der Prozessbevollmächtigten eingegeben. Der dort installierte Algorithmus "berechnet" das Bestehen eines Anspruchs und generiert ein Anspruchsschreiben an die Fluggesellschaft. Damit hat der Algorithmus genau dieselbe Dienstleistung erbracht, die ein Rechtsanwalt im mündlichen Gespräch und anschließend mit Verfassen eines Anspruchsschreibens erbringen würde. Der Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der Entschädigungsansprüche werden durchgeprüft, genau wie ein Rechtsanwalt dies getan hätte, wenn er ein persönliches Gespräch mit den Klägern geführt hätte. Die anwaltliche Leistung mag hier zwar im Vorfeld beim Programmieren des Legal Tech-Algorithmus erbracht worden sein, sie wurde aber erbracht und von den Klägern genutzt. Der Fall entspricht dem, in dem der Rechtsanwalt etwa bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Verkehrsunfallsachen Formulare vorbereitet und zur Verfügung stellt, die der Geschädigte ankreuzen und ausfüllen kann. Wenn der Rechtsanwalt in solchen Fällen die einzelnen Positionen addiert und daraus ein Anspruchsschreiben formuliert, hat er eine Geschäftsgebühr verdient. Dass es sich nur um einen "simplen Algorithmus" handelt, bei der vo...