FamFG §§ 69 Abs. 1 S. 4, 277; RVG § 2; RVG VV Nrn. 1000, 2300
Leitsatz
- Auch in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit bindet eine rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts, die eine Aufhebung und Zurückverweisung ausspricht, im erneuten Beschwerdeverfahren sowohl das Beschwerdegericht als auch das Rechtsbeschwerdegericht an die der aufhebenden Beschwerdeentscheidung zugrundeliegende Rechtsauffassung (im Anschluss an Senatsbeschl, v. 18.1.2017 – XII ZB 544/15, FamRZ 2017, 623; BGHZ 25, 200 = NJW 1958, 59 u. BGHZ 15, 122 = NJW 1955, 21).
- Zur Festsetzung einer Geschäfts- und Einigungsgebühr für den Verfahrenspfleger nach Nr. 2300 VV u. Nr. 1000 VV.
BGH, Beschl. v. 11.12.2019 – XII ZB 276/19
1 Sachverhalt
Der Beteiligte zu 3) begehrt eine Vergütung seiner Tätigkeit als Verfahrenspfleger auf Grundlage der Vorschriften des RVG.
Die am 17.7.2018 verstorbene Betroffene war an Demenz erkrankt und lebte zuletzt in einem Seniorenheim. Ihre Kinder beabsichtigten, das von der Betroffenen ehemals bewohnte Haus zu verkaufen. Ausweislich eines Übergabe- und Auseinandersetzungsvertrags hatte die Betroffene an dieser Immobilie ein Wohnungs- und Benutzungsrecht auf Lebenszeit (Leibgeding). In dem Vertrag war u.a. geregelt: "Bei Nichtausübung der Rechte aus anderen Gründen, insbesondere bei Wegzug aus dem übergebenen Anwesen, entfällt eine Entschädigung". Das AG bestellte den Sohn der Betroffenen, den Beteiligten zu 2), zum Ergänzungsbetreuer. Sein Aufgabenkreis umfasste auch die Vertretung der Betroffenen bei der Löschung des Leibgedings im Grundbuch. Zudem hat das AG den Beteiligten zu 3) (im Folgenden: Verfahrenspfleger), einen Rechtsanwalt, zum Verfahrenspfleger der Betroffenen für die Zustimmung zur Löschung des Leibgedings bestellt, wobei er sein Amt berufsmäßig ausübt.
Nachdem der Verfahrenspfleger erreicht hatte, dass die Löschung des Leibgedings gegen Zahlung einer Entschädigung von 7.500,00 EUR erfolgt, hat er beantragt, seine Vergütung nach dem RVG unter Berücksichtigung einer 1,3-Geschäfts- und einer 1,5-Erledigungsgebühr nebst Pauschale und Mehrwertsteuer auf 1.543,19 EUR festzusetzen. Das AG hat diesen Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Verfahrenspflegers hat das LG mit Beschl. v. 14.12.2017 den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben. Es hat dem AG aufgegeben, den Vergütungsantrag unter Beachtung seiner Rechtsauffassung zu bescheiden; die Rechtsbeschwerde hat das LG nicht zugelassen. Der Verfahrenspfleger sei grds. berechtigt, eine Vergütung nach den Gebührensätzen des RVG zu berechnen. Allerdings habe das AG noch über die konkrete Höhe des Anspruchs des Verfahrenspflegers zu entscheiden.
Schließlich hat das AG die Vergütung für den Verfahrenspfleger antragsgemäß auf 1.543,19 EUR festgesetzt. Das LG hat die Beschwerde des Beteiligten zu 4 (im Folgenden: Staatskasse), mit der diese eine Herabsetzung der Vergütung auf 297,50 EUR begehrt hat, zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Staatskasse mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Verfahrenspfleger sei berechtigt, seine Vergütung i.H.v. 1.543,19 EUR gegenüber der Staatskasse nach den Gebührensätzen des RVG abzurechnen, da sich seine Tätigkeit im vorliegenden Verfahren in dem beauftragten Aufgabenkreis gehalten habe und er ausnahmsweise eine Vergütung wie ein Rechtsanwalt verlangen könne.
Die Vergütung umfasse eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV i.H.v. 592,80 EUR sowie eine 1,5-Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV i.H.v. 684,00 EUR nebst 20,00 EUR Pauschale für Post und Telekommunikation und Mehrwertsteuer i.H.v. 246,39 EUR. Der Berechnung zugrunde zu legen sei ein Gegenstandswert von 7.500,00 EUR.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Soweit das LG bereits in seinem Beschl. v. 14.12.2017 entschieden hat, dass der Verfahrenspfleger aufgrund seiner Tätigkeit nach den Gebührensätzen des RVG abrechnen kann, ist der Senat hieran gebunden.
aa) Nach Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung durch das Beschwerdegericht und Zurückverweisung der Sache an das AG ist nicht nur dieses, sondern im erneuten Beschwerdeverfahren auch das Beschwerdegericht an die der aufhebenden Beschwerdeentscheidung zugrundeliegende Rechtsauffassung grds. gebunden. Danach muss das Ausgangsgericht den in der Entscheidung gezogenen Schluss auf die darin ausgesprochene Rechtsfolge dem weiteren Verfahren zugrunde legen. Wie weit die Bindungswirkung reicht, muss ggfs. durch Auslegung der Gründe der aufhebenden Entscheidung geklärt werden (Senatsbeschl, v. 18.1.2017 – XII ZB 544/15, FamRZ 2017, 623 Rn 40 m.w.N.).
Die Bindung erstreckt sich auch auf das im späteren Verfahren zuständige Rechtsbeschwerdegericht. Das erneut zuständige Beschwerdegericht kann nämlich keinen Rechtsverstoß begangen haben, wenn es die Bindung an seine Erstentscheidung beachtet hat. Das ist auch für das Rechtsbeschwerdegericht bindend. Denn es hat seine Nachprüfung auf Rechtsfehler des angefochtenen Beschlusses...