RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4
Leitsatz
Werden die vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten nach Zahlung der Hauptforderung isoliert eingeklagt und zugesprochen, dann ist die titulierte Geschäftsgebühr nicht auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, da unterschiedliche Gegenstände zugrunde liegen. Folglich kommt eine Anrechnung nach § 15a Abs. 2 RVG im Rahmen der Kostenerstattung nicht in Betracht.
AG Rosenheim, Beschl. v. 3.2.2020 – 15 C 859/19
1 Sachverhalt
Der Anwalt hatte für den Kläger außergerichtlich dessen Verkehrsunfallschaden i.H.v. 3.084,53 EUR reguliert. Der Versicherer weigerte sich jedoch, auch die hierfür angefallenen Anwaltskosten in Höhe einer 1,3-Geschäftgebühr aus von 3.084,53 EUR zu übernehmen. Daraufhin klagte der Kläger auf Ersatz dieser Geschäftsgebühr. Der Versicherer wurde antragsgemäß verurteilt. Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren berief er sich darauf, dass die im Urteil zugesprochene Geschäftsgebühr gem. § 15a Abs. 2 RVG im Kostenfestsetzungsverfahren anzurechnen sei. Die Rechtspflegerin hat antragsgemäß festgesetzt. Die dagegen erhobene Erinnerung hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Kostenfestsetzungsbeschluss unterliegt gem. § 567 Abs. 2 ZPO nicht der sofortigen Beschwerde gem. § 11 Abs. 1 RPflG, § 567 ZPO, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR nicht übersteigt. Da das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht eröffnet ist, ist § 11 Abs. 2 RPflG anwendbar. Danach ist gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nur die befristetet Erinnerung statthaft.
b) Die auf Grundlage des § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG einzuhaltende Frist von zwei Wochen ist gewahrt.
2. Die Erinnerung ist jedoch nicht begründet.
Die Rechtspflegerin hat zurecht keine Anrechnung vorgenommen. Es ist nicht wegen desselben Gegenstandes bereits eine Geschäftsgebühr entstanden. Streitgegenstand der vorgerichtlichen Mandatierung waren Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall i.H.v. 3.084,53 EUR. Für diesen Gegenstand ist eine Geschäftsgebühr entstanden. Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens waren die restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten, die Hauptforderung waren und gerade nicht Nebenforderung. Diese Anwaltskosten waren auch nicht in den 3.084,53 EUR enthalten. Vor diesem Hintergrund lagen auch nach einer wirtschaftlichen Betrachtung unterschiedliche Gegenstände vor. Eine Anrechnung hatte nicht stattzufinden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht verlasst. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 11 Abs. 3 RPflG). War der Rechtsanwalt Prozessbevollmächtigter entsteht ihm keine zusätzliche Gebühr im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. Zöller, ZPO, § 104, Rn 22).
3 Anmerkung
Es ist schon etwas mutig, in einem ZPO-Kommentar danach zu suchen, wie sich die Anwaltsvergütung berechnet. Unabhängig davon hätte man bei gehöriger Sorgfalt erkannt, dass es hier nicht um eine Gebühr im Kostenfestsetzungsverfahren, sondern um die Gebühr für ein Erinnerungverfahren geht. Die zitierte Fundstelle im Zöller betrifft aber nur das Kostenfestsetzungsverfahren, in dem für den befassten Anwalt in der Tat keine zusätzliche Gebühr anfällt.
Dass im Erinnerungsverfahren eine gesonderte Gebühr anfällt, ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Dazu braucht man keinen Kommentar zur Hand zu nehmen.
Dazu, dass diese Gebühr auch erstattungsfähig ist, s. AG Siegburg.
Rechtsanwalt Norbert Schneider
AGS 4/2020, S. 202 - 203