1. Lösung zu Fall 1 – Ausgangsfall
I. Anwendbares Recht
Maßgeblich für die Berechnung der Anwaltsvergütung des Beklagtenvertreters ist die am 1.1.2021 in Kraft getretene Fassung des RVG, da der Beklagte seinen Prozessbevollmächtigten nach Inkrafttreten des KostRÄG 2021 mit der Prozessvertretung beauftragt hat (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG).
II. Vergütung
1. Verfahrensgebühr
Für das Betreiben des Geschäfts (s. Vorbem. 3 Abs. 2 VV) ist dem Rechtsanwalt des Beklagten die Verfahrensgebühr angefallen. Da der Rechtsanwalt in seinem Klageerwiderungsschriftsatz einen Sachantrag angekündigt hat und der Schriftsatz Sachvortrag enthält, ist ihm nach Nr. 3101 Nr. 1 VV die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angefallen. Diese beträgt nach einem Gegenstandswert von 20.000 EUR 1.068,60 EUR.
2. Terminsgebühr
Für die telefonische Besprechung zwischen den Anwälten mit dem Ziel der Erledigung des Rechtsstreits ist dem Beklagtenvertreter nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3104 VV die 1,2-Terminsgebühr i.H.v. 988,40 EUR angefallen.
3. Einigungsgebühr
Die Prozessbevollmächtigten der Parteien haben sich über die Erledigung des Rechtsstreits geeinigt und dabei ihren Streit über die gegenseitigen Pflichten aus dem Werkvertrag beseitigt. Für die Mitwirkung an dieser Einigung ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten – gleiches gilt für den Rechtsanwalt des Klägers – die 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV angefallen. Bei einem Gegenstandswert von 20.000 EUR beträgt die Einigungsgebühr 822,00 EUR.
4. Auslagen
Ferner kann der Beklagtenvertreter die Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV mit 20,00 EUR und auf den Gesamtbetrag von 2.899,00 EUR 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV mit einem Betrag von 550,81 EUR abrechnen. Insgesamt steht dem Rechtsanwalt gegen den Beklagten eine Gesamtvergütung i.H.v. 3.449,81 EUR zu.
2. Lösung zu Fall 1 – Abwandlung
Für den Anfall und die Höhe der 1,3-Verfahrensgebühr und der 1,2-Terminsgebühr gelten die vorstehenden Ausführungen zum Ausgangsfall ebenso.
Hinsichtlich der 1,0-Einigungsgebühr ergeben sich hier folgende Besonderheiten. Die bloße Abgabe der Prozesserklärung, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, löst bei den Rechtsanwälten noch keine Einigungsgebühr aus. Vorliegend haben die Parteienvertreter jedoch die Hauptsache-Erledigungserklärungen aufgrund des zuvor geschlossenen Einigungsvertrags abgegeben, mit dem sie den Streit über die gegenseitigen Verpflichtungen der Parteien aus dem Werkvertrag beseitigt haben.
In der Abwandlung fallen somit dieselben Gebühren und Auslagen an wie im Ausgangsfall.
3. Lösung zu Fall 2
I. Anfall der Aktenversendungspauschale
Für die auf Antrag von Rechtsanwalt B erfolgte Versendung der Prozessakten ist nach Nr. 9003 GKG KV die dort geregelte Pauschale i.H.v. 12 EUR angefallen.
II. Kostenschuldner
Gem. § 28 Abs. 2 GKG schuldet die Aktenversendungspauschale nur derjenige, der die Versendung der Akte beantragt hat. Dies ist allein Rechtsanwalt B, auch wenn die Aktenübersendung im Interesse des Mandanten zwecks Einholung der Informationen erfolgt ist. Folglich gilt für die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KV nicht die (einstweilige) Befreiung des Beklagten nach § 122 Abs. 1 Nr. 1a) ZPO hinsichtlich der entstehenden Gerichtskosten, zu denen auch die gerichtlichen Auslagen gehören (s. § 1 Abs. 1 S. 1 GKG). Denn nicht der bedürftige Beklagte, sondern sein Prozessbevollmächtigter ist Kostenschuldner der Aktenversendungspauschale. Rechtsanwalt B hat deshalb diese Pauschale aus eigenen Mitteln zu zahlen.
III. Überlegungen des Rechtsanwalts
Zahlt Rechtsanwalt B die von der Justizkasse angeforderte Aktenversendungspauschale, so kann er von dem Beklagten nach Vorbem. 7 Abs. 1 VV i.V.m. §§ 675, 670 BGB Ersatz der ihm insoweit entstandenen Aufwendungen verlangen. Dabei kann sich der Beklagte nicht auf die Auswirkungen der Bewilligung der Prozesskostenhilfe berufen, da diese nur für die von dem Beklagten selbst geschuldeten Gerichtskosten gilt. Um sich abzusichern, kann Rechtsanwalt B vor Stellung seines Antrags auf Übersendung der Akten von seinem Mandanten gem. § 9 RVG einen Vorschuss auf die Aktenversendungspauschale i.H.v. 12 EUR fordern. Zu diesem Zeitpunkt des Rechtsstreits wird der Beklagte wohl noch am ehesten willens und hoffentlich auch in der Lage sein, seinem Rechtsanwalt die Aktenversendungspauschale als Vorschuss zu zahlen. Ist der Rechtsstreit beendet, möglicherweise sogar mit einem negativen Ergebnis für den Beklagten, sinkt erfahrungsgemäß die Bereitschaft zur Zahlung erheblich.
Autor: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 4/2021, S. 151 - 153