§§ 92 Abs. 1 S. 2, 103 ff. ZPO; § 1 Abs. 1 S. 1 GKG
Leitsatz
Kosten, die bei einer Partei durch die Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstanden sind, sind außergerichtliche Kosten der Partei. Sie sind daher, sofern nichts anderes vereinbart wird, bei einer durch Prozessvergleich vereinbarten Kostenaufhebung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu erstatten.
BGH, Beschl. v. 24.2.2021 – VII ZB 55/18
I. Sachverhalt
Die Klägerin hatte die Beklagte vor dem LG Bielefeld auf Zahlung restlichen Werklohns für Bauleistungen in Anspruch genommen. In diesem Rechtsstreit hatte die Beklagte widerklagend Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht. Das LG hatte Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Der gerichtlich bestellte Sachverständige gab der beweisbelasteten Partei, der Beklagten, auf, bestimmte Bauteilöffnungen vorzunehmen und die hierdurch verursachten Schäden wieder zu beseitigen. Dem kam die Beklagte nach und beauftragte für die entsprechende Vor- und Nachbereitung der Ortstermine Handwerker, für die sie insgesamt 2.393,37 EUR aufwendete.
Der Rechtsstreit vor dem LG Bielefeld endete durch Abschluss eines Vergleichs, in dem die Parteien u.a. vereinbarten, dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte – soweit hier von Interesse – die für die Handwerker aufgewandten Kosten für die Vor- und Nachbereitung der Ortstermine i.H.v. insgesamt 2.393,37 EUR zur Ausgleichung angemeldet. Der Rechtspfleger des LG Bielefeld hat in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss diese Aufwendungen der Beklagten mit der Begründung nicht berücksichtigt, es handele sich um außergerichtliche Kosten, die nach der Kostenregelung im Vergleich gerade nicht auszugleichen seien.
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG Hamm ihrem Kostenausgleichungsantrag hinsichtlich der Handwerkerkosten teilweise stattgegeben und die weitergehende sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dies hat das OLG damit begründet, es handele sich bei den Handwerkerkosten zwar – formal gesehen – nicht um Gerichtskosten, sondern um außergerichtliche Kosten der Beklagten. Jedoch seien diese gleichwohl auszugleichen, weil nicht gerechtfertigt sei, die Berücksichtigung der Kosten für die Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen davon abhängig zu machen, ob der Sachverständige – ggf. auf Weisung des Gerichts nach § 404a ZPO – selbst oder mittels von ihm beauftragter Hilfskräfte Bauteilöffnungen und die Beseitigung hierdurch verursachter Schäden vornimmt oder ob der Sachverständige dies – wie hier – der beweisbelasteten Partei aufgibt. Folglich seien solche notwendigen Aufwendungen einer Partei bei einer vereinbarten Kostenaufhebung hälftig zu erstatten, wenn diese Leistungen anderenfalls von Hilfskräften des Sachverständigen hätten erbracht werden müssen. Denn bei Ausführungen dieser Leistungen durch den Sachverständigen wären dessen Aufwendungen für die Hilfskräfte in Höhe des üblichen Werklohns gem. § 12 JVEG i.V.m. Nr. 9005 GKG KV im Kostenfestsetzungsverfahren als Gerichtskosten zu berücksichtigen und von beiden Parteien hälftig zu tragen.
Die gegen diese Entscheidung des OLG Hamm eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als das OLG zum Nachteil der Klägerin entschieden hatte.
II. Aufhebung der Kosten
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last, wenn die Kosten gegeneinander aufgehoben sind.
Hieraus folgt nach Auffassung des BGH, dass im Falle der Kostenaufhebung jede Partei ihre eigenen Kosten allein und die Gerichtskosten je zur Hälfte trägt. Dies entspreche dem allgemeinen Verständnis in Rspr. und Lit., das der Rechtstradition folge und auch in § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO Eingang gefunden habe (BGH BRAGOreport 2003, 140 [Hansens] = AGS 2003, 293).
2. Auslegung der Kostenregelung
Nach Auffassung des BGH ist die Bedeutung der Kostenregelung im Vergleich, nach der die Parteien die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben haben, für die verfahrensgegenständlichen Aufwendungen der Beklagten zur Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Bestimmung des Auslegungsmaßstabs sei zu berücksichtigen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und infolge dessen dem Rechtspfleger übertragen sei. Deshalb sei die Klärung komplizierter materiell-rechtlicher Fragen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll (BAG AGS 2015, 588 = RVGreport 2015, 388 [Hansens] = zfs 2015, 584 m. Anm. Hansens; BGH AGS 2014, 296 = RVGreport 2014, 318 [Hansens]). Folglich ist nach Auffassung des BGH im Kostenfestsetzungsverfahren eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten. Der Parteiwille müsse da...