1. Wenn man über die Gewährung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG berichten kann, ist das angesichts der rigiden – m.E. falschen – Rspr. der OLG in diesem Bereich schon etwas Besonderes. Wenn man dann aber nicht nur darüber berichtet, sondern auch noch mitteilen kann, dass das OLG – die Wahlanwaltshöchstgebühren – die heilige Kuh der OLG im Recht der Pauschgebühr – um das 20-fache überschritten hat, dann ist das etwas ganz Besonderes, das man dann noch damit toppen kann, dass es sich auch noch um ein bayerisches OLG gehandelt hat. Allerdings relativiert sich das sicherlich ein wenig dadurch, dass angesichts der Verfahrensumstände hier dann auch wohl kein Weg an einer Pauschgebühr vorbei gegangen, wenn man einen Rüffel aus Karlsruhe vermeiden wollte. Und das gilt auch hinsichtlich der Höhe.
2. Man kann daher gegen die Argumente, die das OLG anführt, auch nicht ernsthaft etwas einwenden. Auch gegen die Höhe der Bewilligung ist nichts zu erinnern, wobei man sich natürlich eine (noch) höhere Pauschgebühr gewünscht hätte. Aber: Das OLG weist m.E. zu Recht darauf hin, dass es sich "nicht völlig vom gesetzlichen Gebührenkonzept lösen" kann. Die §§ 42, 51 RVG sind eben – das darf man nicht verkennen – für solche "Mammutverfahren" nicht gemacht. Das zu ändern ist/wäre Aufgabe des Gesetzgebers, der sich an der Stelle aber zurückhält und – wegen des sicherlich zu erwartenden Einspruchs der Bundesländer, aus deren Kassen die Pauschgebühren zu bezahlen sind, auch zurückhalten wird.
3. Die Argumentation des OLG ist nachvollziehbar. Natürlich muss man dem OLG nicht in allen Punkten folgen, letztlich bewegt es sich aber auf der Linie der Rspr. der OLG zu § 51 RVG. Wenn man konkret etwas anmerken will, dann zu folgenden beiden Punkten:
a) Unzutreffend erscheint mir der Ansatz des OLG, die in den 1980-er Jahren erbrachten Tätigkeiten (vgl. oben V. 1.). nicht bei der Bemessung der Pauschgebühr zu berücksichtigen. Die Begründung des OLG: Verwirkung, zieht m.E. nicht. Denn wem gegenüber hätte denn ein Pauschgebührenanspruch geltend gemacht werden können. Der Rechtsanwalt ist doch erst 2016 als Verletztenbeistand vom BGH beigeordnet worden. Dass er ggf. gegen seine Mandanten nicht weitere/mehr Gebührenansprüche geltend gemacht hat, kann zudem kaum zur Begründung eines Pauschgebührenanspruchs, der sich gegen die Staatskasse richtet, herangezogen werden.
b) Und zur Frage des Überschreitens des doppelten der Wahlanwaltshöchstgebühr ist der Beschluss des OLG m.E. nicht klar und lässt nicht erkennen, was das OLG denn nun eigentlich meint. Da geht ein wenig Durcheinander, was u.a. wohl daran liegt, dass das OLG nicht klar genug zwischen der Pauschgebühr für den Wahlanwalt nach § 42 RVG und der für den Pflichtverteidiger nach § 51 RVG unterscheidet. Es wäre besser, das OLG würde die Grenze nach § 42 Abs. 1 S. 4 RVG immer dort lassen, wo sie hingehört, nämlich beim Wahlanwalt. Dann brauchte man auch keine Klimmzüge machen, um in Fällen wie dem vorliegenden, wo das Doppelte der Wahlanwaltsgebühren für den Pflichtverteidiger nicht ausreicht, zu begründen, dass man die Grenze nun doch überschreitet.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 4/2021, S. 158 - 162