§ 14 RVG; Nr. 7008 VV RVG
Leitsatz
- Zur Bemessung der Gebühren in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren.
- Entscheidend für die Anwendung eines Umsatzsteuersatzes ist der Zeitpunkt der Erledigung des anwaltlichen Auftrags. Der Auftrag des Verteidigers endet i.d.R. mit der Erreichung des Rechtsschutzziels.
LG Itzehoe, Beschl. v. 18.2.2021 – 2 Qs 209/20
I. Sachverhalt
Dem Betroffenen ist im Bußgeldverfahren vorgeworfen worden, beim Abbiegen in ein Grundstück einen Unfall verursacht zu haben. Deswegen ist gegen ihn in einem Bußgeldbescheid eine Geldbuße von 100,00 EUR festgesetzt und angekündigt worden, bei Rechtskraft ein Punkt im FAER eingetragen werde. Der Verteidiger hat Einspruch eingelegt und Einstellung des Verfahrens angeregt. Das Verfahren wurde an das AG abgegeben. Dort hat eine dreißigminütige Hauptverhandlung stattgefunden, in der sich der Betroffene zur Sache eingelassen hat. Außerdem sind vier Zeugen vernommen worden. Das AG hat den Betroffenen freigesprochen und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt.
Der Betroffene hat insgesamt 910,47 EUR geltend gemacht. Diese hat das AG nur teilweise festgesetzt, und zwar von den bei den Verfahrensgebühren Nr. 5103 VV und Nr. 5109 VV jeweils geltend gemachten Mittelgebühren lediglich 80,00 EUR bzw. 100,00 EUR und von der bei der Terminsgebühr Nr. 5110 VV angesetzten Mittelgebühr lediglich 160,00 EUR. Außerdem hat es die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV gekürzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.
II. Grundsätzlich Mittelgebühren auch im Bußgeldverfahren
Nach Auffassung des LG ist Ausgangspunkt für die Bemessung der Rahmengebühren, die im zu beurteilenden Einzelfall nach § 14 RVG zu bemessen seien, nach überwiegend vertretener Auffassung grds. der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr. Diese Mittelgebühr gelte, wenn sämtliche gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insbesondere Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers als durchschnittlich einzuordnen seien. Bei der Abwägung der zu berücksichtigenden Merkmale und der sich daran anschließenden Bestimmung der Gebühren räume die Vorschrift des § 14 Abs. 1 RVG dem Rechtsanwalt ein weites billiges Ermessen ein. Die von ihm getroffene Bestimmung sei, wenn – wie hier – ein Dritter die Gebühr zu ersetzen habe, gem. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG (nur dann) nicht verbindlich, wenn sie unbillig sei. Das Gericht sei im Kostenfestsetzungs- und Beschwerdeverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob sich die geltend gemachte Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens halte und ob sie im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unbillig sei. Wenn der Gebührenansatz bei Gesamtabwägung unbillig sei, dürfe und müsse das Gericht die Gebühr jedoch neu festsetzen. Unbillig sei der Gebührenansatz nach herrschender Ansicht regelmäßig, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20 % über der angemessenen Höhe liege.
III. Bemessung im konkreten Fall
Nach diesen Maßstäben habe – so das LG – das AG hier zu Unrecht die anwaltlichen Gebühren gekürzt. Allgemein sei voranzustellen, dass die in Teil 5 VV vorgesehenen Gebührenrahmen für die Vergütung in sämtlichen Bußgeldsachen heranzuziehen seien. Dies seien neben Verkehrsordnungswidrigkeiten auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- oder Steuerrechts, die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens von 60,00 bis 5.000,00 EUR geahndet werden und mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden seien. Zwar könnten auch Verkehrsordnungswidrigkeiten im Einzelfall einen gleich hohen oder höheren Aufwand als andere Ordnungswidrigkeiten verursachen. Sie betreffen auch eine Vielzahl der Ordnungswidrigkeitenverfahren. Allerdings würden sie dadurch nicht bedeutsamer oder schwieriger. Durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister seien daher grds. als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen.
Für sämtliche der hier im Wege der Beschwerde verfolgten Gebührenansätze sei die Kammer unter Berücksichtigung dieser Grundsätze aber gleichwohl der Auffassung, dass der vorgenommene Ansatz der Mittelgebühren jedenfalls nicht nach den aufgezeigten Maßstäben unbillig sei. Zwar sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Sache für den Betroffenen eine besondere Bedeutung gehabt hätte. Ein Fahrverbot habe ihm nicht gedroht. Auch komme der möglichen Eintragung eines Punktes in das FAER keine gesteigerte Bedeutung bei. Maßgeblich sei insoweit, dass konkrete über die Eintragung hinausgehende Folgen für den Betroffenen nicht ersichtlich seien und eine Löschung der Eintragung nach § 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit. a StVG bereits nach Ablauf von zwei Jahren und sechs Monaten möglich gewesen wäre. Auf der anderen Seite könne die Kammer jedoch auch nicht erkennen, dass die Sache für den Betroffenen damit eine besonders unterdurchschnittliche Bedeutung hatte. ...