1. Das Einzige, was an dieser Entscheidung zutreffend ist, ist der Ansatz des LG. Dies geht insoweit zutreffend davon aus, dass die behandelte Frage eine Frage der Kostenerstattung ist und nicht – wie man vielfach lesen kann – eine Frage, ob die Gebühr Nr. 4123 VV entstanden ist (vgl. z.B. OLG Stuttgart, a.a.O.). Alles andere an dieser Entscheidung ist hingegen falsch.
2. Das beginnt schon damit, dass die Kammer nicht klar unterscheidet, ob man sich mit der Gebühr Nr. 4124 VV oder der Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV befasst. Dazu geht es oben unter I. nämlich durcheinander. Die Frage der Mitwirkung des Verteidigers an der Rücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft ist für die Nr. 4124 VV, zu der man wohl Stellung nehmen will, ohne Belang.
3. I.Ü.: Wie gehabt. Die Kammer vertritt – ebenso wie die wohl überwiegendes Meinung in der Rspr. – die Auffassung, dass es Verteidigung zum Nulltarif gibt. Anders kann man den Satz: "Sämtliche Erörterungen des Verfahrensstandes sowie sonstige Tätigkeiten des Verteidigers mit dem Mandanten im Verfahrensstadium zwischen Berufungseinlegung und -begründung sind objektiv also überflüssig und für den Mandanten auch ohne jeglichen objektiven Wert." nicht verstehen. Aber – es ist bereits wiederholt darauf hingewiesen (vgl. zuletzt bei OLG Stuttgart, a.a.O.), dass es Verteidigung zum Nulltarif nicht gibt, auch wenn die Gerichte das vielleicht gern hätten. Dabei wird nämlich übersehen, dass § 137 StPO dem Beschuldigten das Recht auf einen Verteidiger in jeder Lage des Verfahrens einräumt, also auch in dem nach Einlegung der Berufung der Staatsanwaltschaft bestehenden verfahrensrechtlichen Schwebezustand hinsichtlich des Schicksals der Berufung der Staatsanwaltschaft. Eine Beratung über das, was nun ggf. passiert oder auch nicht, ist für den Mandanten nicht "objektiv überflüssig" und "ohne objektiven Wert". Der Mandant will wissen, wie es ggf. weitergeht und womit er rechnen muss und auf die Information hat er auch – siehe § 137 StPO – einen Anspruch. Wenn der Verteidiger ihm diese Informationen erteilt, dann ist aber diese Tätigkeit auch zu entlohnen. Es handelt sich i.Ü. nicht um Tätigkeiten, die noch von der amtsgerichtlichen Verfahrensgebühr erfasst werden. Denn deren Abgeltungsbereich ist längst beendet. Die Tätigkeiten unterfallen damit dem Abgeltungsbereich der Nr. 4124 VV, der mit der Einlegung der Berufung der Staatsanwaltschaft eröffnet ist. Es ist schon traurig, dass man das immer wieder schreiben muss. Und noch trauriger ist es m.E., dass diese Systematik die Gerichte nicht interessiert, sondern sie überwiegend an ihrer falschen Auffassung festhalten.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 4/2021, S. 176 - 178