Vorbem. 3 Abs. 3; Nrn. 3104, 3105 VV RVG
Leitsatz
Findet nach Klagerücknahme in Abwesenheit des Klägers noch ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt, in dem der Beklagte nur noch einen Kostenantrag stellt, entsteht zwar eine 1,2-Terminsgebühr, allerdings lediglich aus dem Kostenwert.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.2.2021 – 8 W 343/19
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte am Morgen des anberaumten Terminstags die Klage zurückgenommen. Ungeachtet dessen hat das Gericht den auf 14.00 Uhr anberaumten Verhandlungstermin nicht aufgehoben, sondern den Termin durchgeführt. Zu diesem Termin erschien lediglich der Anwalt des Beklagten, nicht aber der Anwalt des Klägers oder dieser selbst. Daraufhin beantragte der Anwalt des Beklagten, dem Kläger die Kosten des Verfahrens gem. § 269 Abs. 3 ZPO aufzuerlegen. Das Gericht erließ eine entsprechenden Kostenbeschluss. Aufgrund dessen beantragte der Beklagte die Festsetzung seiner Anwaltskosten, darunter einer 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV aus dem Streitwert des Verfahrens. Das AG hat antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen hat der Kläger Beschwerde erhoben und geltend gemacht, eine Terminsgebühr sei nicht angefallen, jedenfalls sei sie nicht erstattungsfähig. Die Beschwerde hatte nur teilweise Erfolg.
II. Volle Terminsgebühr ist angefallen
Für den Beklagtenvertreter ist eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV angefallen, da er an dem gerichtlichen Termin teilgenommen hat. Darauf, dass das Gericht über die Kosten auch ohne mündliche Verhandlung hätte entscheiden können (§ 128 Abs. 4 ZPO) kommt es nicht an. Soweit lediglich noch über die Kosten zu entscheiden ist, kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, muss es aber nicht. Es steht einem Gericht vielmehr frei, auch über die Kosten mündlich zu verhandeln. Dies war hier geschehen, da das Gericht – insbesondere in Anbetracht der kurzfristigen Klagerücknahme – den Termin nicht mehr aufgehoben hat.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist allerdings nicht lediglich eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV angefallen, sondern eine volle 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV. Mit dem Kostenantrag nach § 269 Abs. 3 Abs. 4 ZPO ist nicht lediglich ein Antrag zur Prozess- und Sachleitung gestellt worden, sondern ein Sachantag hinsichtlich der Kosten, sodass der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3105 VV nicht greift.
III. Gegenstandwert nur Wert der Kosten
Allerdings ist die Terminsgebühr nicht aus dem vollen Streitwert des Verfahrens angefallen, sondern lediglich aus dem Kostenwert. Durch die Klagerücknahme war die Hauptsache nicht mehr rechtshängig. Die Terminsgebühr konnte daher nicht mehr aus der Hauptsache anfallen. Im Termin ist lediglich ein Kostenantrag gestellt worden, sodass damit für den Anwalt die Kosten gem. § 23 Abs. 1 S. 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 2 GKG zur Hauptsache geworden sind.
Der Kostenwert war hier mit einem Betrag bis 3.000,00 EUR anzunehmen (Gerichtskosten sowie beiderseitige bislang entstandene Anwaltskosten).
Da die 1,2-Terminsgebühr aus dem Kostenwert hinter der 0,5-Gebühr aus der Hauptsache zurückblieb, war insoweit der Kostenfestsetzungsbeschluss abzuändern. Dass der Beklagte nur eine 0,5-Terminsgebühr zur Festsetzung beantragt hatte, nicht aber eine 1,2-Gebühr, ist unerheblich. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann eine geforderte, aber nicht entstandene Gebühr gegen eine entstandene, aber nicht geforderte Gebühr ausgetauscht werden, solange die Festsetzung dabei innerhalb des Antrags bleibt und die Gebühren auf denselben Sachverhalt bezogen sind. Dies war hier hinsichtlich der Terminsgebühr der Fall, da es in der Sache nur um die Festsetzung der zutreffenden Terminsgebühr ging.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Entscheidung in der Sache
Die Entscheidung ist zutreffend. Wird lediglich ein Kostenantrag gestellt, entsteht dennoch die volle 1,2-Terminsgebühr, allerdings lediglich aus dem Wert der Kosten.
Beispiel
Vor dem Termin nimmt der Kläger die Klage i.H.v. 25.000,00 EUR zurück. Das Gericht hebt den Termin nicht auf. Der Kläger erscheint nicht. Der Beklagte beantragt daraufhin, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Gericht setzt den Gegenstandswert für die Terminsgebühr auf 3.000,00 EUR fest.
Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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1.136,20 EUR |
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(Wert: 25.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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288,60 EUR |
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(Wert: 3.000.00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.444,80 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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274,51 EUR |
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Gesamt |
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1.719,31 EUR |
2. Keine Wertfestsetzungskompetenz des Beschwerdegerichts
Unzutreffend war es allerdings, dass das Beschwerdegericht den Kostenwert selbst ermittelt hat. Grds. ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht über Wertfragen zu entscheiden. Vielmehr ist das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 145 ZPO auszusetzen und die Wertfestsetzung nachzuholen (BGH AGS 2014, 246 = RVGreport 2014, 240; OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2013 – 3 WF 1/12, AGS 2014, 65; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.3.2018 – 14 W 89/18, AGS 2019, 199). Hier hätte also das OLG das Kostenfestsetzungsverfahren aussetzen und den Parteien Gelegenheit geben müssen,...