Der Entscheidung des BFH ist im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings bedarf die Begründung des BFH, warum nur eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt, einiger Anmerkungen.
1. Dieselbe Angelegenheit
Für die Frage, ob dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 7 Abs. 1 RVG vorliegt oder ob verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten gegeben sind, in denen der Rechtsanwalt dieselben Gebühren jeweils getrennt berechnen kann, hat der BFH auf die Rspr. des BGH zurückgegriffen, wonach die drei genannten Voraussetzungen (einheitlicher Auftrag, gleicher Rahmen der Anwaltstätigkeit, innerer objektiver Zusammenhang) kumulativ erfüllt sein müssen (BGH RVGreport 2016, 215 [Hansens] = AGS 2016, 316; RVGreport 2014, 388 [Ders.] = AGS 2014, 263).
Diese Abgrenzung gilt jedoch grds. nur für die außergerichtlichen Tätigkeiten des Rechtsanwalts. in gerichtlichen Verfahren wird der für die Annahme einer einzigen Angelegenheit notwendige Zusammenhang grds. bereits dadurch hergestellt, dass das Gericht von einer Trennung der Verfahren wegen ihres Sachzusammenhangs abgesehen hat oder bei zwei ursprünglich getrennten Verfahren wegen ihres Sachzusammenhangs eine Verbindung herbeigeführt hat. Dies hat zur Folge, dass das gerichtliche Verfahren in einem Rechtszug regelmäßig eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit darstellt (BGH RVGreport 2019, 11 [Hansens]). Dies ergab sich nach der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung des § 15 Abs. 2 RVG direkt aus dem Gesetz.
2. Rechtslage bis zum 31.7.2013
In der mit Wirkung zum 1.8.2013 aufgehobenen Fassung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG hieß es nämlich:
Zitat
"In gerichtlichen Verfahren kann er (der Rechtsanwalt) die Gebühren in jedem Rechtszug fordern."
Damit stand eindeutig fest, dass es sich bei der Tätigkeit des Rechtsanwalts innerhalb desselben Rechtszugs um nur eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit handelt. Umgekehrt folgte hieraus auch, dass die anwaltliche Tätigkeit als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter in verschiedenen gerichtlichen Verfahren auch zu verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten führt, in denen somit auch gleichartige Gebühren gesondert berechnet werden konnten. Folglich sind hier die Ausführungen des BFH, die Frage, ob eine oder mehrere Angelegenheit vorliegen, beurteile sich nach den jeweiligen Umständen (Inhalt des Auftrags, innerer Zusammenhang, einheitlicher Rahmen) unrichtig. Auch wenn diese Kriterien für verschiedene Angelegenheiten sprechen würden, was hier nicht der Fall war, führte die Bearbeitung des Entschädigungsklageverfahrens der beiden Kläger unter einem gemeinsamen gerichtlichen Aktenzeichen immer zu einer einzigen Angelegenheit.
3. Rechtslage ab dem 1.8.2013
Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG, die auch in der Vorgängerregelung des § 13 Abs. 2 S. 2 BRAGO über Jahrzehnte hinweg in Rspr. und der Praxis unumstritten war, als unsystematisch angesehen und sie in die Bestimmung des § 17 Nr. 1 RVG transponiert. Dort ist allerdings lediglich geregelt, dass das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten sind. Das ist aber etwas ganz anderes als die bisherige Gebührenregelung, wonach der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann.
Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Auffassung vertreten, dass Änderungen hierdurch nicht eintreten sollten. Es ergebe sich nämlich bereits aus der Grundregelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, dass jeder Rechtszug eines gerichtlichen Verfahrens nach wie vor gebührenrechtlich eine besondere Angelegenheit darstellt. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/11471 (neu), 267) wörtlich:
Zitat
"Die Vorschrift (des § 15 RVG) kann wegen der vorgeschlagenen Änderung zur Einfügung einer neuen Nr. 1 in § 17 RVG … aufgehoben werden. Darin soll künftig bestimmt werden, dass jeder Rechtszug eines gerichtlichen Verfahrens gebührenrechtlich eine eigene Angelegenheit bildet. Dies soll jedoch nichts daran ändern, dass mehrere parallele Rechtsstreitigkeiten in jedem Fall jeweils gesonderte Angelegenheiten bilden. Damit reicht die Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG aus, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann."
Folglich stellt jedes gerichtliche Verfahren in jedem Rechtszug für den Rechtsanwalt auch nach der ab 1.8.2013 geltenden Rechtslage nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit dar. Umgekehrt folgt hieraus auch, dass der Rechtsanwalt in verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten tätig wird, wenn das Gericht verschiedene AZ vergeben hat. Die Änderung des § 15 Abs. 2 RVG hat jedoch insbesondere in der Rspr. der LSG entgegen dem erklärten Willen des Gesetzgebers zu der unrichtigen Auffassung geführt, auch bei getrennten Klageverfahren könne dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegen (s. etwa Thür. LSG AGS 2018, 213; Thür. LSG NZS 2015, 396).
Somit stellt die Tätigkeit des als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten b...