Das OLG hat den besonderen Umfang und auch die besondere Schwierigkeit des Verfahrens bejaht. Allerdings hat es die erstmalige Einarbeitung des Antragstellers in die Ermittlungsakten und die allgemeine Vorbereitung auf die Hauptverhandlung bei der Beurteilung des "besonderen Umfangs" des Verfahrens nicht berücksichtigt. Zwar hätten die Verfahrensakten einen weit überdurchschnittlichen Umfang gehabt, hinzu komme, dass der Antragsteller erst nach dem 44. Hauptverhandlungstag zum weiteren Verteidiger bestellt worden sei und die ihm zur Verfügung stehende Einarbeitungszeit deshalb vergleichsweise kurz gewesen sei.
Zu beachten sei aber, dass der Antragsteller mit Schreiben vom 16.4.2018 erklärt hat, dass "der Staatskasse (…) durch die Umbeiordnung keine zusätzlichen Kosten entstehen" werden. Hierauf habe der Vorsitzende in seinem Umbeiordnungsbeschluss vom 18.4.2018 auch ausdrücklich abgestellt. Der Antragsteller habe dementsprechend im Rahmen der Kostenfestsetzung auf die Grundgebühr und die Verfahrensgebühren verzichtet.
1. Gebührenverzicht beschränkt die Pauschgebühr
Der Gebührenverzicht im Rahmen der Umbeiordnung sei zulässig und wirksam (vgl. KG StraFo 2016, 513; OLG Karlsruhe NStZ 2016, 305; Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 2398, jew. m.w.N.). Er wirke sich auch auf die Bewilligung der Pauschgebühr aus. Wenn nämlich dem Pflichtverteidiger für einen Verfahrensabschnitt oder eine bestimmte Tätigkeit keine (gesetzlichen) Gebühren zustehen – sei es, dass eine Gebühr gar nicht entstanden sei, oder sei es, dass auf eine entsprechende Gebühr verzichtet worden sei –, könne dieser Verfahrensabschnitt oder diese Tätigkeit auch bei der Bewilligung einer Pauschgebühr nicht berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm StraFo 2012, 161 m. Anm. Burhoff; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, § 51 Rn 16; Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn 21; BeckOK RVG/K. Sommerfeld/M. Sommerfeld, § 51 Rn 9).
Zwar sei in der Rspr. vereinzelt die Ansicht vertreten worden, dass ein Verzicht auf höhere gesetzliche Gebühren es nicht ausschließe, dass diese dem Verteidiger "dem Grunde nach zustehenden, aber aufgrund des Verzichts nicht zu beanspruchenden Gebühren" bei der Bemessung einer Pauschgebühr und deren Berechtigung gleichwohl Berücksichtigung finden können (OLG Hamm, Beschl. v. 18.8.2009 – 5 (s) Sbd. X – 65/09). Diese Auffassung sei indes auf Kritik gestoßen (vgl. Burhoff, a.a.O.), und das OLG Hamm habe angedeutet, sie künftig nicht mehr zu vertreten (vgl. OLG Hamm StraFo 2012, 161 m. Anm. Burhoff). Ob ihr im Hinblick auf eine mögliche Kompensation durch nicht entstandene Gebühren zu folgen wäre, könne hier indes dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls sei daraus nicht abzuleiten, dass der allgemein anerkannte Grundsatz der Vermeidung von Mehrkosten für die Staatskasse bei einem einvernehmlichen Pflichtverteidigerwechsel (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., 2021, § 143a Rn 31 m.w.N.) sich nur auf die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, nicht aber auf etwaige Mehrkosten durch eine Pauschgebühr beziehe. Zwar reichen im Falle einer kostenneutralen Umbeiordnung die durch den Mehrkostenbegriff geschützten Fiskalinteressen nicht weiter, als wenn der Beschuldigte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser hätte beigeordnet werden können (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 6.2.2019 – 2 Ws 37/19, AGS 2019, 333 = StraFo 2019, 263; OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.3.2017 – 1 Ws 122/17). Von dem Mehrkostenbegriff seien aber unzweifelhaft diejenigen Gebührenpositionen erfasst, die durch die Bestellung des neuen Pflichtverteidigers doppelt entstehen würden (OLG Celle, a.a.O.; Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 2250 m.w.N.). Das erfasse bei einem Verteidigerwechsel während der Instanz – wie hier – zunächst die Grundgebühr und die Verfahrensgebühren (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A Rn 2249 m.w.N.). In diesem Sinn "doppelt entstehen" würde aber auch eine Pauschgebühr, deren Bewilligung an Verfahrensabschnitte oder Tätigkeiten anknüpft, die mit den – vom Verzicht eindeutig erfassten – Grund- und Verfahrensgebühren abgegolten werden. Es wäre zudem systemwidrig, die Bewilligung einer Pauschgebühr auf die Unzumutbarkeit von gesetzlichen Gebühren zu stützen, auf deren Auszahlung der Verteidiger verzichtet hat. Das OLG hat daher die vom Abgeltungsbereich der Grundgebühr und der Vorverfahrensgebühr erfassten Tätigkeiten nicht berücksichtigt.
2. Abgeltungsbereich Grundgebühr Nr. 4100 VV / Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV
Mit der Grundgebühr wird gem. Anm. 1 zu Nr. 4100 VV die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt. Nach der Gesetzesbegründung betreffe dies – so fährt das OLG Celle fort – das erste Gespräch mit dem Mandanten und die erste Beschaffung der erforderlichen Informationen (BT-Drucks 15/1971, 222 zu Nr. 4100 VV); dies erfasse alle in zeitlich nahem Zusammenhang mit der Übernahm...