1. Bisheriger Streit

Mit Wirkung zum 1.1.2021 ist § 4 Abs. 2 InsVV durch das SanInsFoG dahingehend angepasst worden, dass hinsichtlich der Höhe der Zustellauslagen eine Bezugnahme auf Nr. 9002 GKG KV etabliert wurde. In AGS 2022, 135 und AGS 2022, 138 wurden bereits die sehr unterschiedlichen Standpunkte der Gerichte und der Lit. erörtert, die sich seit dem 1.1.2021 um die Frage drehen, ob bei den (zusätzlichen) Zustellauslagen nun ein Ansatz bereits ab der ersten Zustellung dann erfolgen kann, wenn insgesamt die Zahl der Zustellungen von 10 überschritten sind (analog einer Bagatellgrenze, deren Überschreiten ähnlich der Zuschläge dann einen Gesamtansatz auslösen; wohl gegenwärtig die Mindermeinung), oder ob ein genereller Abzug der ersten 10 Zustellungen je Verfahren zu erfolgen habe (so die augenscheinlich h.A.). Jedenfalls wird diese Frage "leidenschaftlich" diskutiert und es ergehen dank unklarer Regelungen bald "täglich" neue Entscheidungen hierzu.

2. Neuer Ansatz

Einen anderen Ansatz verfolgt das AG Potsdam, welcher – soweit bekannt – bislang "einzigartig" in der Rspr. seit dem 1.1.2021 sein dürfte. Das AG Potsdam "entledigt" sich dieser Streitfrage, in dem es eine neu auftut, nämlich die Frage, ob es überhaupt noch Zustellauslagen geben kann. Das Gericht sieht seit dem 1.1.2021 eine Anpassung durch die Neuregelungen der InsVV dahingehend, dass die Zustellauslagen eben geregelt wurden und gesetzlich in der Regelung eben keine "zusätzliche" oder besondere Erstattung vorgesehen werde, anders als etwa bei der (zusätzlichen) Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (ab einem bestimmten zusätzlichen Haftungsaufwand). Begründet wird dieser Ansatzpunkt mit der Historie der Gesetzesänderung, wonach dieser Ansatz ein Ergebnis des Wunsches von NIVD und VID entspreche. Deren Reformvorschlag habe hinsichtlich der besonderen Kosten aus einer zusätzlichen Haftpflichtversicherung i.S.v. § 4 Abs. 3 InsVV ausdrücklich vorgesehen, dass die Kosten einer solchen Mehrversicherung neben einem Pauschbetrag nach § 8 Abs. 3 InsVV zu erstatten wären. Das Problem einer Auslagenpauschale neben einem Einzelersatz besonderer Kosten wurde daher nach Ansicht des AG Potsdam also im Rahmen des Reformvorschlags erkannt und besonders behandelt. Da es aber nur für die Mehrversicherung, nicht aber für die Zustellauslagen geregelt worden sei, muss nach Ansicht des AG Potsdam im Umkehrschluss davon auszugehen sein, dass eben hinsichtlich der Zustellauslagen keine besondere Erstattung in Betracht komme. Bei der Chance, eine bestehende und bekannte Regelungslücke zu klären, habe man folglich bewusst sich für einen anderen Weg entschieden, nämlich der Subsumierung der Zustellauslagen unter die allg. Kostenregeln.

3. Folge

Nach dem Ansatz des AG Potsdam wird die bisherige Streitfrage elegant gelöst, indem es nur noch dann einen Ansatz von Zustellauslagen gibt, wenn sich der Insolvenzverwalter für den sog. Einzelansatz von Auslagen entscheidet. Nach § 8 Abs. 3 InsVV, kann der Verwalter nach seiner Wahl anstelle der tatsächlich entstandenen Auslagen einen Pauschsatz fordern, der im ersten Jahr 15 vom Hundert, danach 10 vom Hundert der Regelvergütung, höchstens jedoch 350,00 EUR je angefangenen Monat der Dauer der Tätigkeit des Verwalters beträgt. Der Pauschsatz darf insgesamt 30 vom Hundert der Regelvergütung nicht übersteigen. Da gesetzlich "nur" der Pauschansatz begrenzt ist, kommt de facto bei einem Einzelansatz keine Begrenzung in Betracht. Der Insolvenzverwalter kann daher alles ansetzen. Setzt er – im Rahmen eines Einzelansatzes – dann Zustellauslagen an, so "normiert" die Bezugnahme auf Nr. 9002 GKG KV dann wiederum deren Höhe von 3,50 EUR je Zustellung. Erst und nur soweit sich der Insolvenzverwalter für einen Einzelansatz entscheidet, "lebt" folglich die bereits mehrfach erörterte Streitfrage wieder auf, ob dann die ersten zehn Zustellungen analog Nr. 9002 GKG KV generell nicht in Ansatz gebracht werden können, oder ob – ähnlich den Zuschlägen – die ersten zehn Zustellungen nur als Bagatellgrenze zu betrachten sind und ab der 11. Zustellung alle Zustellungen des Verfahrens (also auch die ersten 10) ansetzbar sind.

4. Praxisfolgen

Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des AG Potsdam auf wenig Gegenliebe bei den Insolvenzverwaltern stoßen wird. Ein Insolvenzverwalter kann einen Ersatz von Zustellungskosten gem. § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV nach Ansicht des AG Potsdam nicht verlangen, wenn er hinsichtlich des generellen Auslagenersatzes die Möglichkeit einer Pauschalierung gem. § 8 Abs. 3 InsVV gewählt hat. Dies kommt de facto einer Abschaffung der Zustellauslagen gleich. Wie beschrieben hat der Insolvenzverwalter die Wahl, ob er die ihm entstandenen Auslagen einzeln entsprechend § 8 Abs. 1 InsVV abrechnet oder ob er die Möglichkeit einer pauschalierten Auslagenabrechnung nach § 8 Abs. 3 InsVV nutzt. In der Praxis kommt der Einzelansatz aber nicht vor. Er ist aufwändig, komplex und arbeitsintensiv. Einzeln geltend gemachte Auslagen sind rechnerisch z...

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