1. Lösung zu Fall 1
I. Fehlende Prozessvollmacht berührt Vergütungsanspruch nicht
Zunächst wird Rechtsanwältin A vortragen, dass die fehlende schriftliche Prozessvollmacht der Vergütungsfestsetzung nicht entgegensteht. Denn hierdurch wird der Vergütungsanspruch der Rechtsanwältin nicht berührt. Die Prozessvollmacht bezeugt nämlich lediglich im Außenverhältnis die Berechtigung des Rechtsanwalts, den Mandanten vertreten zu dürfen. Für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen den Auftraggeber kommt es jedoch lediglich auf den im Innenverhältnis geschlossenen Anwaltsdienstvertrag an.
II. Offensichtlich aus der Luft gegriffene Einwendung
Rechtsanwältin A wird ferner darauf hinweisen, dass der Kläger nicht vorgetragen hat, er habe sie nicht mit der Prozessvertretung vor dem LG Hamburg beauftragt. Da jedoch in der Lit. teilweise die Auffassung vertreten wird, in dem Hinweis auf eine fehlende schriftliche Prozessvollmacht liege gleichzeitig ein Bestreiten der Auftragserteilung, wird Rechtsanwältin A hierzu Folgendes vortragen: Das Vorbringen des Klägers sei – was die Auftragserteilung angeht – haltlos und offensichtlich aus der Luft gegriffen und deshalb im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Der Kläger habe ihr, der Rechtsanwältin A, nämlich jedenfalls stillschweigend einen Auftrag zur Prozessführung erteilt. Indem er in dem Verhandlungstermin vor dem LG Hamburg ihre Tätigkeit für sich widerspruchsfrei geduldet habe, habe der Kläger sie stillschweigend mit der Prozessführung beauftragt. Außerdem wird Rechtsanwältin A darauf hinweisen, dass der Kläger ohne jeglichen Widerspruch von ihr sowohl die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des LG Hamburg als auch den vom Rechtspfleger des LG erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss entgegengenommen hat. Auch darin liege – so wird Rechtsanwältin A vorbringen – eine stillschweigende Auftragserteilung.
2. Lösung zu Fall 2
I. Antrag auf Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens
Zunächst kann Rechtsanwalt B nach Rücksprache mit dem Beklagten beim LG Bremen beantragen, die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beklagten wieder aufzuheben (s. hierzu § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO). Hat dies keinen Erfolg, weil etwa das Prozessgericht die Anwesenheit des Beklagten im Termin für erforderlich ansieht, muss Rechtsanwalt B hinsichtlich der Terminsreisekosten des Beklagten tätig werden.
II. Antrag auf Zahlung der Terminsreisekosten
Rechtsanwalt B hat den Beklagten darauf hinzuweisen, beim LG Bremen einen Antrag auf Übernahme seiner Terminsreisekosten durch die Landeskasse zu stellen. Ggfs. wird Rechtsanwalt B diesen Antrag für den Beklagten auch selbst stellen.
In dem Antrag muss darauf hingewiesen werden, dass der Beklagte mittellos ist. Hierzu genügt der Hinweis auf die ohne Anordnung von Ratenzahlungen erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe.
Ferner muss vorgebracht werden, dass die Teilnahme des Beklagten an dem Verhandlungstermin notwendig ist. Hierzu genügt der Hinweis auf die gerichtliche Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beklagten und die Ablehnung des Antrags, diese Anordnung wieder aufzuheben.
Hat der Antrag beim LG Bremen Erfolg, erhält der Beklagte aus der Landeskasse einen Fahrschein 2. Klasse für die Bahnfahrt von Berlin nach Bremen und zurück sowie ggfs. Tickets für den öffentlichen Nahverkehr in Berlin und Bremen.
Autor: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 4/2022, S. 161 - 162