I. Fragen
1. Fall 1
Rechtsanwältin A hat für den Kläger dessen Vertretung in einem Zivilprozess vor dem LG Hamburg übernommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Gericht waren sowohl der Kläger, dessen persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hatte, und für ihn Rechtsanwältin A sowie der Beklagte und dessen Prozessbevollmächtigter erschienen. Rechtsanwältin A hat im Beisein des Klägers den Antrag aus der Klageschrift gestellt und verhandelt. Die Beklagtenseite hat die Abweisung der Klage beantragt. Das LG Hamburg hat der Klage stattgegeben. Rechtsanwältin A hat dem Kläger die ihr vom LG übersandte vollstreckbare Urteilsausfertigung weitergeleitet. Ferner hat Rechtsanwältin A für den Kläger das Kostenfestsetzungsverfahren betrieben und dem Kläger die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses übersandt. Hieraufhin hat Rechtsanwältin A gegen den Kläger die Festsetzung ihrer Vergütung gem. § 11 RVG beantragt. Der hierzu angehörte Kläger hat die Ablehnung der Festsetzung mit der Begründung beantragt, er habe Rechtsanwältin A keine schriftliche Prozessvollmacht erteilt, was zutrifft.
Der mit dem Vergütungsfestsetzungsantrag befasste Rechtspfleger, der durchblicken lassen hat, dass er dazu neige, die Festsetzung gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG abzulehnen, gibt Rechtsanwältin A Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Vorbringen des Klägers.
Was wird Rechtsanwältin A vortragen, um den Rechtspfleger noch umzustimmen?
2. Fall 2
Für den vor dem LG Bremen anhängigen Zivilprozess ist dem in Berlin wohnhaften Beklagten Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt und ihm der in Bremen kanzleiansässige Rechtsanwalt B beigeordnet worden. Das LG Bremen hat den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 1.7. anberaumt und das persönliche Erscheinen beider Parteien hierzu angeordnet. Der Beklagte teilt Rechtsanwalt B mit, er habe für die Anreise zu dem Termin kein Geld.
Was hat Rechtsanwalt B im Hinblick auf die Ladung des Beklagten zu dem Verhandlungstermin zu veranlassen?
II. Lösungen
1. Lösung zu Fall 1
I. Fehlende Prozessvollmacht berührt Vergütungsanspruch nicht
Zunächst wird Rechtsanwältin A vortragen, dass die fehlende schriftliche Prozessvollmacht der Vergütungsfestsetzung nicht entgegensteht. Denn hierdurch wird der Vergütungsanspruch der Rechtsanwältin nicht berührt. Die Prozessvollmacht bezeugt nämlich lediglich im Außenverhältnis die Berechtigung des Rechtsanwalts, den Mandanten vertreten zu dürfen. Für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen den Auftraggeber kommt es jedoch lediglich auf den im Innenverhältnis geschlossenen Anwaltsdienstvertrag an.
II. Offensichtlich aus der Luft gegriffene Einwendung
Rechtsanwältin A wird ferner darauf hinweisen, dass der Kläger nicht vorgetragen hat, er habe sie nicht mit der Prozessvertretung vor dem LG Hamburg beauftragt. Da jedoch in der Lit. teilweise die Auffassung vertreten wird, in dem Hinweis auf eine fehlende schriftliche Prozessvollmacht liege gleichzeitig ein Bestreiten der Auftragserteilung, wird Rechtsanwältin A hierzu Folgendes vortragen: Das Vorbringen des Klägers sei – was die Auftragserteilung angeht – haltlos und offensichtlich aus der Luft gegriffen und deshalb im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Der Kläger habe ihr, der Rechtsanwältin A, nämlich jedenfalls stillschweigend einen Auftrag zur Prozessführung erteilt. Indem er in dem Verhandlungstermin vor dem LG Hamburg ihre Tätigkeit für sich widerspruchsfrei geduldet habe, habe der Kläger sie stillschweigend mit der Prozessführung beauftragt. Außerdem wird Rechtsanwältin A darauf hinweisen, dass der Kläger ohne jeglichen Widerspruch von ihr sowohl die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des LG Hamburg als auch den vom Rechtspfleger des LG erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss entgegengenommen hat. Auch darin liege – so wird Rechtsanwältin A vorbringen – eine stillschweigende Auftragserteilung.
2. Lösung zu Fall 2
I. Antrag auf Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens
Zunächst kann Rechtsanwalt B nach Rücksprache mit dem Beklagten beim LG Bremen beantragen, die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beklagten wieder aufzuheben (s. hierzu § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO). Hat dies keinen Erfolg, weil etwa das Prozessgericht die Anwesenheit des Beklagten im Termin für erforderlich ansieht, muss Rechtsanwalt B hinsichtlich der Terminsreisekosten des Beklagten tätig werden.
II. Antrag auf Zahlung der Terminsreisekosten
Rechtsanwalt B hat den Beklagten darauf hinzuweisen, beim LG Bremen einen Antrag auf Übernahme seiner Terminsreisekosten durch die Landeskasse zu stellen. Ggfs. wird Rechtsanwalt B diesen Antrag für den Beklagten auch selbst stellen.
In dem Antrag muss darauf hingewiesen werden, dass der Beklagte mittellos ist. Hierzu genügt der Hinweis auf die ohne Anordnung von Ratenzahlungen erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe.
Ferner muss vorgebracht werden, dass die Teilnahme des Beklagten an dem Verhandlungstermin notwendig ist. Hierzu genügt der Hinweis auf die gerichtliche Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beklagten und die Ablehnung des Antrags...