§§ 67 Abs. 4, 152a, 166 VwGO; §§ 114, 117 Abs. 2 S. 1 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG; § 22 Abs. 1 S. 1 GKG; Nr. 5400 GKG KV
Leitsatz
- Es gehört grundsätzlich zu den eigenen Obliegenheiten des bedürftigen Rechtsschutzsuchenden, sich die erforderlichen Unterlagen – hier: das Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – selbst zu beschaffen und fristgerecht bei Gericht einzureichen.
- Für die Anhörungsrüge in einem Prozesskostenhilfeverfahren besteht kein Vertretungszwang.
- Das Anhörungsrügeverfahren ist kostenrechtlich verselbstständigt, ohne hiervon Prozesskostenhilfe-Angelegenheiten auszunehmen. Deshalb fällt für das Anhörungsrügeverfahren die Festbetragsgebühr nach Nr. 5400 GKG KV an.
OVG Lüneburg, Beschl. v. 5.11.2021 – 8 OB 126/21
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte beim OVG Lüneburg die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Das Gericht hat den Kläger – vergeblich – aufgefordert, die gem. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO dem Antrag beizufügende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege einzureichen. Folglich konnte das OVG die Bedürftigkeit des Klägers insbesondere im Hinblick auf sein Eigentum an einem Grundstück, das wohl kein Schonvermögen i.S.v. § 90 Abs. 2 und 3 SGB XII darstellte, nicht überprüfen. Durch Beschl. v. 6.10.2021 hat das OVG Lüneburg deshalb den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt.
Die hiergegen eingelegte Anhörungsrüge des Klägers hatte keinen Erfolg.
II. Zulässigkeit der Anhörungsrüge
Nach Auffassung des OVG Lüneburg war die Anhörungsrüge nach § 152a Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft, da gegen die Entscheidung des Senats vom 6.10.2021 ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben war.
Nach den weiteren Ausführungen des OVG Lüneburg bestand für die Anhörungsrüge in dem PKH-Verfahren auch kein Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO. Es handele sich nämlich bei dem auf Fortführung des abgeschlossenen PKH-Verfahrens abzielenden Anhörungsrügeverfahren ebenfalls um ein PKH-Verfahren i.S.d. § 152a Abs. 2 S. 5 i.V.m. § 67 Abs. 4 S. 1 HS 2 VwGO.
III. Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Die Anhörungsrüge hatte nach den weiteren Ausführungen des OVG Lüneburg jedoch deshalb keinen Erfolg, weil der Senat das rechtliche Gehör des Klägers nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt habe. Der Kläger hatte mit der Anhörungsrüge geltend gemacht, das PKH-Antragsformular sei ihm nicht zugänglich, sodass er das Gericht um Übersendung gebeten habe. Folglich könne ihm die fehlende Vorlage der Formulare nicht angelastet werden.
Dem hat das OVG Lüneburg entgegengehalten, dass sich der Kläger seine Versäumnisse und Unterlassungen bei der Beachtung von Frist- und Formvorschriften zurechnen lassen müsse, die er selbst zu vertreten habe (s. BVerfG SGb 1993, 24). Folglich liege eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht darin, dass das Gericht dem Kläger nicht vorab das Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zugesandt habe (s. BFH BFH/NV 2021, 321). Der Kläger habe sich über die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH grds. selbst kundig zu machen. Insoweit würden die Gerichte keine besonderen Hinweispflichten treffen. Deshalb gehöre es zu den eigenen Obliegenheiten des Rechtsschutzsuchenden, sich auch die erforderlichen Unterlagen wie hier das Formular über die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse selbst zu beschaffen und fristgerecht bei Gericht einzureichen (OVG Hamburg FamRZ 2020, 1023 (LS)).
Das OVG Lüneburg hat darauf hingewiesen, dass der Berichterstatter des Senats dem Kläger die Frist für die Vorlage der Erklärung auf dessen Bitte hin mehrfach verlängert habe und ihm ferner eine Internetadresse benannt habe, unter der das Formular per Download heruntergeladen werden könne. Außerdem habe der Berichterstatter den Kläger darauf hingewiesen, dass die Formulare bei den Rechtsantragstellen der Amtsgerichte erhältlich seien. Schließlich habe der Berichterstatter dem Kläger eine Frist zur Einreichung der PKH-Unterlagen gesetzt. Dem sei der Kläger nicht nachgekommen. Folglich sei eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Gericht bei dieser Sachlage nicht gegeben.
IV. Kostenentscheidung
Das OVG Lüneburg hat dem Kläger die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens gem. § 154 Abs. 2 VwGO auferlegt. Dies hat das OVG damit begründet, das Anhörungsrügeverfahren sei nicht gerichtskostenfrei. Der Gesetzgeber habe dieses Anhörungsrügeverfahren kostenrechtlich verselbstständigt, ohne hiervon PKH-Angelegenheiten auszunehmen. Deshalb falle die Festbetragsgebühr nach Nr. 5400 GKG KV an.
V. Bedeutung für die Praxis
Der Entscheidung des OVG Lüneburg ist in allen Punkten zuzustimmen.
1. Formulare
Die Gerichte sind nicht verpflichtet, den Rechtsschutzsuchenden die für die Beantragung von PKH vorgeschriebenen Formulare zu übersenden. Vorliegend hat der Berichterstatter des Senats dem Kläger mehrfach Hinweise gegeben, wie er an ein solches Formular gelangen könne, insbesondere ihm die Möglichkeit eines Downloads eröffnet. Gleichwohl hat der Kläger weder das gem. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderliche Antragsformular eingereicht...