Der Entscheidung des OLG München ist zuzustimmen.

1. Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten

Wer für die Entscheidung, dass Kosten nicht zu erheben sind, zuständig ist, richtet sich nach dem Stand des Verfahrens.

a) Entscheidung vor dem Gerichtskostenansatz

In so manchen Fällen entscheidet das Prozessgericht bereits in seinem Endurteil oder durch gesonderten Beschluss, dass näher bezeichnete Gerichtskosten gem. § 21 GKG nicht zu erheben sind. Dies betrifft etwa die Fälle, in denen das Gericht eine Beweisaufnahme angeordnet hat, obwohl die Beweisfrage nicht streitig war. Gleiches gilt für unterbliebene Abladungen zu einem abgesetzten Termin, in dem Sachverständige oder Zeugen erschienen sind. Gelegentlich betrifft dies auch Zustellungsauslagen für Zustellungen, die eigentlich an die Prozessbevollmächtigten der Parteien hätten erfolgen müssen.

Zuständig ist das Gericht, bei dem das Verfahren durchgeführt wurde, dessen Kosten (teilweise) nicht erhoben werden sollen. Geht es um Kosten der I. Instanz, entscheidet somit das erstinstanzliche Gericht. Dem Rechtsmittelgericht obliegt die Entscheidung lediglich über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens. Dies gilt auch dann, wenn das Rechtsmittelgericht die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen hat und diesem die Kostenentscheidung übertragen hat (OLG Hamm JurBüro 1980, 104; Meyer, GKG, FamGKG, 17. Aufl., 2020, § 21 Rn 16). Folglich kann das Rechtsmittelgericht nicht die Nichterhebung von Kosten des erstinstanzlichen Gerichts anordnen.

Das Gericht entscheidet in der Besetzung, die ihm das Gesetz zugewiesen hat. Ist dem Einzelrichter die Entscheidung über die Hauptsache gem. § 348 ZPO übertragen worden, ist dieser auch für die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten zuständig. Entscheidet über die Hauptsache die Kammer, trifft diese auch die Entscheidung darüber, dass Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung außer Ansatz bleiben.

Hat das Gericht die Nichterhebung von Gerichtskosten angeordnet, so erstellt der Kostenbeamte von vornherein den Gerichtskostenansatz ohne die Kosten, deren Nichterhebung das Gericht angeordnet hat.

b) Entscheidung nach dem Gerichtskostenansatz

Hat der Kostenbeamte den Gerichtskostenansatz bereits erstellt, ergeht die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten wie in einem Erinnerungsverfahren nach § 66 Abs. 1 GKG. Das gilt sowohl für den Fall, dass einer der Kostenschuldner die Nichterhebung von Gerichtskosten ausdrücklich beantragt, wie im Fall des OLG München. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht von Amts wegen die Nichterhebung von Gerichtskosten anordnet. Hat das Gericht – nach Nichtabhilfe seitens des Kostenbeamten – über die Nichterhebung von Gerichtskosten zu entscheiden, ergeht diese Entscheidung gem. § 66 Abs. 6 S. 1 GKG durch den Einzelrichter. Dieser kann auch für die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten das Verfahren gem. § 66 Abs. 6 S. 2 GKG der Kammer bzw. dem Senat in voller Besetzung übertragen.

c) Entscheidung im Verwaltungsweg

Hat das Gericht keine Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten getroffen, kann eine entsprechende Anordnung gem. § 21 Abs. 2 S. 2 GKG auch im Verwaltungsweg getroffen werden. Zuständig ist gem. § 37 KostVfg der Präsident des betreffenden Gerichts. Über Beschwerden gegen einen ablehnenden Bescheid des Präsidenten des Gerichts ist dann im Aufsichtsweg zu entscheiden (§ 37 S. 2 KostVfg). Derartige Entscheidungen sind in der Praxis sehr selten. Ich selbst habe in meiner jahrzehntelangen Praxis keine einzige derartige Entscheidung gesehen.

2. Nichterhebung von Gerichtskosten

a) Grundsatz

Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG werden Kosten, zu denen nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 S. 1 GKG auch gerichtliche Auslagen gehören, nicht erhoben, wenn sie bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Voraussetzung hierfür ist an sich, dass ein Fehler des Gerichts, etwa des Richters oder eines sonstigen Justizbediensteten, vorliegt (KG AGS 2007, 639). Dabei führt nicht jeder Fehler zur Nichterhebung von Gerichtskosten. Es muss sich vielmehr um einen offen zutage tretenden Fehler oder um ein offensichtliches Versehen des Gerichts gehandelt haben. Dabei muss ein offensichtlicher und eindeutiger Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vorliegen (BGH NJW 1962, 2107; BGH NJW-RR 1997, 831; BGH RVGreport 2020, 189 [Hansens]: Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde trotz rechtzeitiger Rücknahme; BFH BFH/NV 1997, 521 und BFH/NV 1996, 191; BFH RVGreport 2015, 396 [Hansens]; OLG München RVGreport 2017, 34 [Ders.]; OLG Köln RVGreport 2013, 401 [Ders.] = AGS 2013, 464).

Die Nichterhebung kann sowohl eine gerichtliche Gebühr als auch einen Auslagenbetrag betreffen (s. etwa Bay. LSG RVGreport 2018, 396 [Hansens]: mehrfache Berechnung der Aktenversendungspauschale, obwohl die Akten mit einer einzigen Sendung hätten übersandt werden können, s. hierzu auch BSG RVGreport 2015, 356 [Hansens] = AGS 2015, 398 = zfs 2015, 462 m. Anm. Hansens).

b) Unrichtige Sachbehandlung bei ...

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