§§ 21 Abs. 1, 66 GKG; § 572 ZPO; Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
Leitsatz
- Nach Erstellung des Gerichtskostenansatzes ist über die Frage, ob Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben sind, ausschließlich im Rahmen des Erinnerungsverfahrens gegen den Gerichtskostenansatz zu entscheiden.
- Hierfür ist gem. § 66 Abs. 6 S. 1 GKG der Einzelrichter originär zuständig.
- Entscheidet hingegen die Kammer in ihrer vollen Besetzung statt im Rahmen des Erinnerungsverfahrens durch den Einzelrichter, stellt dies einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter i.S.v. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG dar, der zur Aufhebung der Kammer-Entscheidung führt.
OLG München, Beschl. v. 30.9.2021 – 11 W 1243/21
I. Sachverhalt
Das LG München I hatte der Klage des Klägers durch Endurteil in der Besetzung mit drei Berufsrichtern teilweise stattgegeben. Im Berufungsverfahren erteilte das OLG München den Parteien einen umfangreichen Hinweisbeschluss und schlug ihnen einen Vergleich vor. Durch Beschluss stellte das OLG München sodann das Zustandekommen eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO fest. Dieser enthielt eine Kostenregelung, wonach die Parteien die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu je 50 % zu tragen haben.
Der Kostenbeamte des LG München I setzte in seinem Gerichtskostenansatz die Gerichtskosten der I. Instanz i.H.v. insgesamt 139.489,88 EUR an. Darin enthalten war als gerichtlicher Auslagenbetrag eine Sachverständigenvergütung i.H.v. 65.194,46 EUR, die der gerichtlich bestellte Sachverständige Z. berechnet hat. Diese Rechnung beinhaltete Auslagen für den sachverständigen Beirat J. i.H.v. insgesamt 50.694 EUR brutto.
Die Beklagte wandte sich gegen die Berücksichtigung dieser Kosten des sachverständigen Beirats mit dem Antrag, diese nicht zu erheben bzw. niederzuschlagen. Die Hinzuziehung des sachverständigen Beirats als Gehilfe des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei unter Berücksichtigung des § 407a Abs. 3 ZPO fehlerhaft gewesen. Der Sachverständige Z. habe wiederholt erklärt, dass er die Verantwortung für die Erkenntnisse des Beirats nicht übernehmen könne. Der sachverständige Beirat J. sei vom Gericht auch nicht als Sachverständiger bestellt worden und auch als Gutachter erkennbar ungeeignet.
Das LG München I wies den Antrag der Beklagten durch Beschluss in der Besetzung mit drei Berufsrichtern mit der Begründung zurück, eine unrichtige Sachbehandlung seitens des Gerichts i.S.v. § 21 GKG liege nicht vor. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Beschwerde eingelegt, der das LG München I in der Besetzung mit drei Berufsrichtern nicht abgeholfen hat.
Das OLG München hat der Beschwerde stattgegeben und die Sache an das LG München I zurückverwiesen.
II. Unrichtige Sachbehandlung
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG sind Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Zu diesen Kosten gehören nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 S. 1 GKG die (gerichtlichen) Gebühren und Auslagen. Unter den gerichtlichen Auslagentatbestand fallen u.a. nach Nr. 9005 GKG KV die nach dem JVEG zu zahlenden Beträge, somit auch die vom LG München I an den Sachverständigen Z. gezahlte Sachverständigenvergütung.
2. Zuständigkeit
Gem. § 21 Abs. 2 S. 1 GKG entscheidet über die Nichterhebung von Kosten das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, kann nach § 21 Abs. 2 S. 2 GKG über die Nichterhebung der Kosten im Verwaltungswege entschieden werden. Ein solcher Fall hatte hier nicht vorgelegen.
Nach Auffassung des OLG München hatte hier die Zivilkammer 24 des LG München I in unzulässiger Weise als Erstgericht in der Besetzung mit drei Berufsrichtern entschieden. Nachdem nämlich der Kostenbeamte den Gerichtskostenansatz mit der beanstandeten Sachverständigenvergütung erstellt hatte, sei vielmehr über die Nichterhebung der gerichtlichen Auslagen ausschließlich im Rahmen des Erinnerungsverfahrens gem. § 66 Abs. 1 GKG zu entscheiden.
a) Entscheidung durch das Gericht
Das OLG München hat darauf hingewiesen, dass der teilweise Wegfall des staatlichen Kostenanspruchs durch Anordnung der Nichterhebung der Gerichtskosten nach § 21 GKG grds. eine gerichtliche Entscheidung voraussetzt. Diese Entscheidung treffe das Gericht, also der Richter oder – in durch das RPflG auf den Rechtspfleger übertragenen Geschäften – der Rechtspfleger, bei dem die unrichtige Sachbehandlung zu den beanstandeten Mehrkosten geführt haben soll. Das OLG München weist darauf hin, dass diese gerichtliche Entscheidung – vom Richter – bereits in die Kostengrundentscheidung des Endurteils über die Hauptsache aufgenommen werden kann oder – vom Richter oder Rechtspfleger – in einem gesonderten Beschluss erfolgen kann. Dabei entscheide das Gericht auf Antrag des Kostenschuldners oder aber auch von Amts wegen.
b) Entscheidung auf Erinnerung
Stellt der Kostenschuldner nach Zugang des Gerichtskostenansatzes den Antrag auf Nichterhebung von Gerichtskosten gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG, handelt es sich nach den weiteren Ausführungen des OLG München der Sache nach um einen Einwand gegen den Gericht...