Die in der Überschrift genannten Änderungen des RVG beruhen auf Art. 7 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1111 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (VO 2019/1111-EG, BGBl I, 3424). Sie sind in Kraft getreten am 1.8.2022.
Anlass für die Änderungen des RVG ist insbesondere die Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes (IntFamRVG).
1. § 18 Abs. 1 Nr. 6 RVG
In § 44f IntFamRVG ist die Aussetzung der Vollstreckung nach Art. 56 Abs. 1, 2 und 4 der Verordnung (EU) 2019/1111 geregelt worden. Hierdurch wurde die Folgeänderung in § 18 Abs. 1 Nr. 6 RVG erforderlich, der bestimmt, welche Verfahren gebührenrechtlich als besondere Angelegenheiten zu behandeln sind. Die Neuregelung erfasst neben den bisher unter anderem dort aufgeführten Verfahren über Anträge nach den § 765a, 851a und 851b ZPO nunmehr jedes Verfahren über Anträge auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 44f IntFamRVG. Diese Neuregelung hat zur Folge, dass dem Anwalt in diesen Verfahren stets besondere Gebühren zustehen. Dies gilt auch dann, wenn für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung nach § 44f Abs. 3 IntFamRVG das OLG zuständig ist und der Rechtsanwalt in diesem Verfahren tätig ist.
2. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9b RVG
Diese Vorschrift bestimmt, dass die anwaltlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausstellung von dort geregelten Bescheinigungen zum Rechtszug gehören. Der in dem Verfahren als Vertreter beauftragte Rechtsanwalt erhält deshalb für die Tätigkeit hinsichtlich der Ausstellung der Bescheinigungen keine besondere Vergütung. Die Neuregelung erstreckt den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Bescheinigungen nach § 39 Abs. 1 IntFamRVG. Dort ist geregelt, dass in Verfahren des ersten Rechtszuges der Familienrichter, im Verfahren vor dem OLG der Vorsitzende des Senats für Familiensachen Bescheinigungen nach Art. 29 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2019/1111 ausstellt.
3. Nr. 3328 VV
Nr. 3328 VV gewährt eine 0,5-Verfahrensgebühr für Verfahren über die vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung oder die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung und die Anordnung, dass Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift wurde um die "Aussetzung der Zwangsvollstreckung" erweitert. Hintergrund dieser Ergänzung ist das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung nach Art. 46 Abs. 1, 2 und 4 der Verordnung (EU) 2019/1111 i.V.m. § 44f IntFamRVG. Folglich erhält der mit der Tätigkeit im Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung nach diesen Vorschriften beauftragte Rechtsanwalt ebenfalls die 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3328 VV.
Der Gesetzgeber hat diese Neuregelung zum Anlass genommen, S. 1 der Anm. zu Nr. 3328 VV neu zu fassen. Nach der bisherigen Regelung, die im Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 RVG steht, gehörte die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung und die Anordnung, dass Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind, wenn nicht ein besonderer gerichtlicher Termin darüber stattgefunden hat, zu dem Rechtszug oder dem Verfahren. Insoweit bestand eine Regelungslücke, wenn ein Rechtsanwalt ohne sonstiges Mandat in einem solchen Verfahren ohne abgesonderte mündliche Verhandlung tätig geworden ist.
Dies ergab sich aus S. 1 der Anm. zu Nr. 3328 VV, wonach die 0,5-Verfahrensgebühr nur entsteht, wenn eine abgesonderte mündliche Verhandlung über die in der Vorschrift genannten Verfahren oder ein besonderer gerichtlicher Termin stattgefunden hat. Nach der zum 1.8.2022 in Kraft getretenen Neuregelung entsteht die 0,5-Verfahrensgebühr dann nicht, wenn die Tätigkeit zum Rechtszug i.S.v. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 RVG gehört. Gebührenrechtlich hat dies zur Folge, dass die 0,5-Verfahrensgebühr – wie bisher – auch dann nicht entsteht, wenn ein mit einem weitergehenden Mandat beauftragter Rechtsanwalt tätig wird und eine abgesonderte mündliche Verhandlung nicht stattfindet.
Somit wird der Anwendungsbereich des Gebührentatbestandes der Nr. 3328 VV um den eines insolierten Mandats auch in der Fallgestaltung erweitert, in der keine mündliche Verhandlung stattfindet.