1. Lösung zum Ausgangsfall

In seinem Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 11 RVG wird Rechtsanwalt A seinen gesetzlichen Vergütungsanspruch gegen B geltend machen, der sich wie folgt zusammensetzt:

 
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 1.068,60 EUR
  (Wert: 20.000,00 EUR)  
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 980,40 EUR
  (Wert: 20.000,00 EUR)  
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 393,11 EUR
  Gesamt 2.462,11 EUR

2. Lösung zur ersten Abwandlung

Der Rechtspfleger wird die Einwendung des Beklagten zunächst auszulegen haben. Der Einwand des Beklagten, er habe dem Rechtsanwalt keine Vollmacht erteilt, ist als solcher unbeachtlich und führt deshalb auch nicht zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG. Zwar bedürfen außergebührenrechtliche Einwendungen keiner Substantiierung oder gar Schlüssigkeit. Sie müssen lediglich – ihre Richtigkeit unterstellt – erkennen lassen, dass der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts aufgrund dieses Einwandes aus materiell-rechtlichen Gründen unbegründet sein könnte.[1]

Der Einwand der fehlenden Prozessvollmacht hat seine Grundlage jedoch nicht im materiellen Recht, sondern im Verfahrensrecht (s. §§ 80 ff. ZPO) und hat damit auch keinen Einfluss auf den Vergütungsanspruch (unrichtig OLG Saarbrücken,[2] das in dem Einwand eine "doppelt relevante Tatsache" sieht, die zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung führt; im vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall hatte der Antragsgegner allerdings nicht die Erteilung einer Prozessvollmacht geleugnet, sondern ausdrücklich geltend gemacht, er habe den Rechtsanwalt nicht beauftragt).

Das Vorbringen des Beklagten ist aber so auszulegen, dass er auch die Erteilung eines Auftrages, also den Abschluss eines Anwaltsdienstvertrages nach den §§ 675, 611 BGB leugnet. Dies kann man daraus folgen, dass der Beklagte geltend gemacht hat, er kenne Rechtsanwalt A überhaupt nicht, sodass ihm auch kein Vergütungsanspruch zustehe.

Der Einwand, dem Rechtsanwalt keinen Auftrag erteilt zu haben, ist grds. ein zur Ablehnung der Festsetzung nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG führender Einwand. Er ist jedoch hier ausnahmsweise unberücksichtigt zu lassen, weil er offensichtlich aus der Luft gegriffen ist. Er ist nämlich durch den Akteninhalt widerlegt. B war in dem Verhandlungstermin anwesend, in dem Rechtsanwalt A als sein Prozessbevollmächtigter aufgetreten ist und für ihn Anträge gestellt hat, ohne dass B der Anwaltstätigkeit widersprochen hätte. Darin ist jedenfalls eine stillschweigend erteilte Auftragserteilung zu sehen.[3]

Folglich wird der Rechtspfleger den Einwand des B als offensichtlich aus der Luft gegriffen unberücksichtigt lassen und dem Vergütungsfestsetzungsantrag stattgeben.

[1] S. OVG Münster AGS 2023, 158 [Hansens], in diesem Heft, m.w.N.
[2] AGS 2009, 490 = RVGreport 2009, 381 [Hansens].
[3] S. meine Anmerkung zu OLG Saarbrücken RVGreport 2009, 381.

3. Lösung zur zweiten Abwandlung

Hier hat der Beklagte B sowohl einen gebührenrechtlichen als auch einen außergebührenrechtlichen Einwand erhoben.

a) Nur 0,8-Verfahrensgebühr entstanden

Über den gebührenrechtlichen Einwand, es sei nur eine 0,8-Verfahrensgebühr entstanden, hat der Rechtspfleger in der Sache zu entscheiden. Dieser Einwand des Beklagten ist jedoch unbegründet. Rechtsanwalt A ist die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr dadurch entstanden, dass er mit dem Klageabweisungsantrag einen Schriftsatz mit Sachantrag bei Gericht eingereicht hat und er ferner den Verhandlungstermin wahrgenommen hat (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV). Insoweit wird der Rechtspfleger den Einwand zurückweisen und die geltende gemachte 1,3-Verfahrensgebühr festsetzen, sofern nicht der nachfolgende außergebührenrechtliche Einwand zu berücksichtigen ist.

b) Zahlungseinwand

Der Einwand des Beklagten, er habe Rechtsanwalt A einen Vorschuss i.H.v. 1.295,43 EUR gezahlt, ist ein außergebührenrechtlicher Einwand i.S.v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG. Damit behauptete der Beklagte nämlich die (teilweise) Erfüllung der Vergütungsforderung des Rechtsanwalts A. Der Rechtspfleger hat die Richtigkeit dieses Einwands im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen.[4] Folglich kann der Einwand gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung i.H.v. 1.295,43 EUR selbst dann führen, wenn Rechtsanwalt A – wie hier geschehen – die Zahlung bestreitet. Die Frage der Erfüllungswirkung einer behaupteten Zahlung ist nämlich im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen.

Allerdings hat der Antragsgegner bei Erhebung des Einwandes, er habe die Vergütungsforderung ganz oder teilweise erfüllt, darzulegen, wann und auf welche Weise er den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts (teilweise) erfüllt haben will.[5] Deshalb hat der Antragsgegner bei Überweisungen das entsprechende Konto, auf das überwiesen worden ist, und den Überweisungstag anzugeben.[6] Ferner wird die Angabe des gezahlten Betrages erfordert. Dem letzteren Erfordernis hat hier der Beklagte B Rechnung getragen.

Der Rechtspfleger wird deshalb dem Beklagten aufgeben, vorzutragen, wann und auf welche Weise (Barzahlung oder Überweisung, dort die Angabe des Kontos, auf das überwiesen worden ist...

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