Das AG hat den Angeklagten wegen Betrugs, den er in laufender Bewährung beging, zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 10 Monaten verurteilt. Im Bewährungsbeschluss hat es ihm u.a. eine stationäre Suchttherapie zur Auflage gemacht. Die Staatsanwaltschaft hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Diese hat sie begründet und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Das LG hat Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 25.5.2023 bestimmt. Mit Schreiben v. 11.5.2023 berichtete die Bewährungshilfe dem LG, dass der Verurteilte seit 1.1.2023 versicherungspflichtig beschäftigt sei, eine zweimonatige stationäre Therapie vollständig absolviert habe und seitdem von der Suchtberatung X betreut werde. Zur Bewährungshilfe habe er zuverlässig Kontakt gehalten. Die Bewährungshilfe stellte ihm nunmehr eine günstige Sozialprognose. Die Staatsanwaltschaft nahm deshalb am 23.5.2023 ihre Berufung zurück.
Das LG hat am 24.5.2023 den Hauptverhandlungstermin aufgehoben und der Staatskasse die Kosten der Berufung, einschließlich der dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt. Die Pflichtverteidigerin hat für den Mandanten einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt und dabei auch die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren i.H.v. 352,00 EUR, was der Mittelgebühr entspricht, nach § 14 RVG, Nr. 4124 VV geltend gemacht.
Hierzu nahm der Bezirksrevisor Stellung und beantragte, die Mittelgebühr um 30 % auf 246,40 EUR zu reduzieren. Der Ansatz der Mittelgebühr sei unbillig hoch. Die Berufung der Staatsanwaltschaft sei auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und eine Auseinandersetzung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Feststellungen im Urteil sei daher nicht mehr erforderlich gewesen. Der Verurteilte habe die Taten erstinstanzlich eingeräumt und auf die Berufung sei keine Reaktion der Verteidigerin erfolgt. Insgesamt könne nicht von einem durchschnittlichen Verfahren ausgegangen werden. Es habe zwar die Möglichkeit bestanden, dass das Berufungsurteil die Bewährungsaussetzung versagt. Im Vergleich zu anderen Berufungsverfahren mit deutlich höherem Strafansatz sei vergütungsrechtlich aber nicht von einem durchschnittlichen Verfahren auszugehen. Die Verteidigerin hat dem widersprochen: Die Mittelgebühr sei gerechtfertigt, da die Berufung erst am 23.5.2023 zurückgenommen und daraufhin der Termin v. 25.5.2023 aufgehoben worden sei. Das Verfahren und die Verteidigungsstrategie bezüglich des Rechtsfolgenausspruchs seien daher bereits umfassend mit dem Verurteilten besprochen und vorbereitet worden.
Das AG hat den Kostenfestsetzungsantrag am 11.9.2023 mit der Begründung insgesamt zurückgewiesen, die Verteidigerin habe keine für die Antragstellung nach § 464b StPO erforderliche Vollmacht vorgelegt. Die Verteidigerin ist dann mit Schreiben v. 25.9.2023 erneut den Ausführungen des Bezirksrevisors entgegengetreten – ohne sich ausdrücklich gegen den Beschl. v. 11.9.2023 zu wenden – und hat zugleich eine Vollmacht vorgelegt, die sie dazu berechtigte, für den Verurteilten Kostenerstattungsansprüche geltend zu machen.
Das LG hat dieses Schreiben als sofortige Beschwerde gegen den AG-Beschluss angesehen. Das Rechtsmittel war erfolgreich.