Die Entscheidung ist zutreffend, allerdings ist Folgendes anzumerken:

1. Nachfrage nach Vollmacht?

Es erstaunt, dass das AG den Kostenfestsetzungsantrag offenbar – jedenfalls ergibt sich aus dem Sachverhalt der LG-Entscheidung nichts Gegenteiliges – insgesamt wegen nicht vorliegender (Geldempfangs-)Vollmacht der Verteidigerin zurückgewiesen hat, ohne zuvor bei der Pflichtverteidigerin nachzufragen. Eine solche Nachfrage hätte zumindest diesen Punkt "ausräumen" können. Hat das AG allerdings nachgefragt – die Möglichkeit ist ja auch gegeben –, dann erstaunt, warum die Pflichtverteidigerin nicht die erbetene Vollmacht zügig vorlegt, um so einen Ablehnungsgrund "auszuräumen".

2. Gewichtung und Einschätzung zutreffend

Zur Sache ist anzumerken, dass die vom LG vorgenommen Gewichtung und Einschätzung der Bedeutung des Verfahrens zutreffend ist. In der Rspr. ist anerkannt, dass Bewährungsfragen im Hinblick auf die Bedeutung eines Strafverfahrens von erheblicher Bedeutung sind (s. OLG Düsseldorf RVGreport 2013, 54 = NStZ-RR 2013, 63 = JurBüro 2013, 80; LG Frankfurt RVGreport 2018, 296; LG Koblenz JurBüro 2010, 475; LG Stralsund RVGreport 2016, 15 = zfs 2016, 106 m. Anm. Hansens = StRR 10/2016, 26; AG Königswinter, Beschl. v. 9.4.2014 – 20 Ds 900 Js 37/13 – 98/13). Hier war der Wegfall der Bewährung auch nicht nur eine fernliegende Möglichkeit, sondern angesichts der Rspr. des BayObLG (a.a.O.) virulent, wobei dahin gestellt bleiben kann, ob man dieser Rspr. in Gänze folgt. Denn es darf nicht übersehen werden, dass das Berufungsverfahren in Bayern anhängig war.

Zutreffend ist es auch, wenn das LG daneben auf den Umfang der (allgemeinen) Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung abstellt. Der hat – natürlich – Auswirkungen auf die Höhe der Verfahrensgebühr (dazu allgemein Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn 43 ff.). Eine zeitintensive Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung kann nach der Rspr. sogar die Festsetzung der Höchstgebühr rechtfertigen (LG Hechingen, Beschl. v. 29.5.2020 – 3 Qs 43/20). Daneben spielt zwar andererseits auch eine Rolle, ob die Berufung ggf. von Anfang an auf das Strafmaß beschränkt war (dazu LG Hannover JurBüro 2011, 304; LG Neuruppin, Beschl. v. 22.12.2011 – 11 Qs 72/11). Aber: In dem Zusammenhang ist hier dann wieder die Bewährungsfrage von Bedeutung und der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft ihre Berufung erst zwei Tage vor dem Berufungshauptverhandlungstermin zurückgenommen hat. Zu dem Zeitpunkt waren aber die erforderlichen Vorbereitungsarbeiten bereits erbracht. Dass die Tätigkeit des Verteidigers nicht nach außen sichtbar geworden sein bzw. sich nicht aus der Akte ergeben muss, ist in der Rspr. unbestritten (BGH NJW 2005, 2233 = AGS 2005, 413 = RVGreport 2005, 275; NJW 2013, 312 = AGS 2013, 7 = Rpfleger 2013, 175 = JurBüro 2013, 134 = RVGreport 2013, 58; OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.1.2023 – 1 Ws 309/22, AGS 2023, 80; OLG Naumburg JurBüro 2012, 312; VG Frankfurt (Oder) RVGreport 2019, 76).

3. Eigene Entscheidung?

Man fragt sich allerdings, warum das LG nicht "durchentschieden" hat. Mir erschließt sich nicht, warum "der Kammer nicht sämtliche dort einzubeziehenden Posten vorgelegen haben". Welche Positionen gefehlt haben, ist, wenn die Pflichtverteidigerin in ihrem Festsetzungsantrag die geltend gemachten Gebühren der Höhe nach begründet hat, nicht erkennbar. Aber vielleicht wollte das LG dem AG auch nur die Gelegenheit geben, nun richtig zu entscheiden. Dass dabei "zweckmäßigerweise im Lichte der Beschwerdeentscheidung" entschieden wird, sollte selbstverständlich sein.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 4/2024, S. 156 - 158

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