§ 464a Abs. 1 S. 2 StPO; § 91 ZPO; § 46 OWiG
Leitsatz
Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen sind in der Regel nicht notwendig. Die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens sind jedoch u.a. dann ausnahmsweise als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
AG Senftenberg, Beschl. v. 28.2.2024 – 50 OWi 1617 Js 22408/22
I. Sachverhalt
Das AG hat das Bußgeldverfahren, in dem dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt worden ist, durch Beschluss eingestellt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt. In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Wahlverteidiger des Betroffenen auch die für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens entstandenen Auslagen geltend gemacht. Die Rechtspflegerin beim AG hat diese festgesetzt.
II.I. d.R. keine Erstattung …
Der Betroffene hat gem. § 464a Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG nur Anspruch auf Erstattung solcher Auslagen, die notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO waren. Nach überwiegender obergerichtlicher Rspr. sind Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen in der Regel nicht notwendig und werden nicht erstattet. Das wird damit begründet, dass die Ermittlungsbehörden und das Gericht von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet sind und der Betroffene jederzeit Beweisanträge stellen oder Beweisanregungen geben kann. Die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens werden jedoch u.a. dann ausnahmsweise als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre (LG Göttingen, Beschl. v. 4.7.2022 – 1 Qs 13/22)
III. … hier aber Ausnahme
Dieser Sachverhalt war hier nach Auffassung des AG gegeben. Dies werde u.a. daran deutlich, dass das AG nach dem Eingang des Verfahrens bereits Termin zur Hauptverhandlung bestimmt habe und aus der Akte keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, welche das Gericht an der Richtigkeit der Messdaten hätte zweifeln lassen. Aus dem privaten Sachverständigengutachten vom 22.11.2022 ergebe sich jedoch, dass ein Defekt an der Messanlage nicht ausgeschlossen werden konnte. Somit habe der Betroffene durchaus eine Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten gehabt. Ohne einen konkreten Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Messung wäre daher damit zu rechnen gewesen, dass das Gericht in der Hauptverhandlung einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter den erleichterten Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sowie § 244 Abs. 4 S. 2 StPO ablehnen würde. Zur Überprüfung dieses Sachverhalts war angesichts der technisch komplizierten Materie aber eben gerade die Überprüfung durch einen Sachverständigen notwendig (LG Oldenburg, Beschl. v. 28.3.2022 – 5 Qs 108/20, AGS 2022, 272; so auch die Rspr. des LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 4.5.2023 – 6 Qs 394 Js 26340/21 (56/23), AGS 2023, 398).
IV. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist zutreffend. Wegen der Einzelheiten zur Erstattungsfähigkeit der Kosten des privaten Sachverständigengutachtens wird verwiesen auf Burhoff, AGS 2023, 193, wo eine Zusammenstellung der einschlägigen Rspr. erfolgt ist.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 4/2024, S. 180