§ 104 ZPO
Leitsatz
Trägt im Innenverhältnis ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Streitgenosse alleine die gesamten Kosten, so kann auch für die weiteren Streitgenossen keine Umsatzsteuer festgesetzt werden.
OLG Hamburg, Beschl. v. 22.11.2023 – 4 W 94/23
I. Sachverhalt
Die Klägerin hatte sowohl die GmbH als auch deren Geschäftsführerin verklagt. Die Klage wurde kostenpflichtig abgewiesen. Daraufhin meldete der gemeinsame Prozessbevollmächtigte der Beklagten deren Kosten zur Festsetzung an und erklärte, dass die GmbH, nicht aber die Geschäftsführerin, zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Das LG setzte die Umsatzsteuer daraufhin anteilig fest. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin hatte Erfolg.
II. Entscheidend ist das Innenverhältnis
Nur die GmbH hatte erklärt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, nicht aber auch die Geschäftsführerin. Das spricht zunächst für eine anteilige Berücksichtigung der Umsatzsteuer. Allerdings darf in einem solchen Fall das Innenverhältnis der Streitgenossen nicht außer Acht gelassen werden. Ist nur einer von mehreren Streitgenossen vorsteuerabzugsberechtigt, so ist nicht zwangsläufig die Umsatzsteuer anteilig festzusetzen. Entscheidend ist vielmehr, wer im Innenverhältnis welche Kosten zu tragen hat. Trägt der vorsteuerabzugsberechtigte Streitgenosse im Innenverhältnis alleine die gesamten Kosten des Rechtsstreits, also auch die Kosten, die auf die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Streitgenossen fallen, so kann auch für diese weiteren Streitgenossen keine Umsatzsteuer verlangt werden (OLG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2019 – 4 W 54/19; BGH NJW 2006, 774; OLG Nürnberg JurBüro 2007, 649; OLG Brandenburg AGS 2011, 155; OLG Stuttgart Rpfleger 2001, 566). Anderenfalls würde man der obsiegenden Partei nur fiktiv geschuldete, tatsächlich jedoch nicht angefallene Kosten und damit eine Bereicherung zugestehen (vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 2001, 566; KG NJW-RR 1998, 860).
III. Freistellungsanspruch der Geschäftsführerin
Auszugehen ist davon, dass der Geschäftsführerin gegenüber der GmbH ein Ersatzanspruch nach §§ 611, 675, 670 BGB für getätigte Aufwendungen in Form der Prozesskosten zusteht, da der Rechtsstreit im Wesentlichen deren Tätigkeit als Geschäftsführerin betraf. In diesem Fall ist – vorbehaltlich anderweitigen Vortrags – davon auszugehen, dass im Innenverhältnis zwischen Geschäftsführer und GmbH letztlich die vorsteuerabzugsberechtigte GmbH die gesamten Kosten des Rechtsanwalts trägt (vgl. Senat, Beschl. v. 17.6.2019 – 4 W 54/19). Da die Beklagten trotz Hinweises des Senats zu einer abweichenden Rechtslage nichts vorgetragen haben, ist davon auszugehen, dass die Kosten letztlich bei der vorsteuerabzugsberechtigten GmbH angefallen und damit die Umsatzsteuerbeiträge nicht festzusetzen sind.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Innenverhältnis ist maßgebend
Die Entscheidung ist zutreffend. Für die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung ist bei mehreren Streitgenossen immer auf das Innenverhältnis abzustellen, also auf den letztlich zahlungspflichtigen Streitgenossen.
2. Umgekehrter Fall
Das Abstellen auf den im Innenverhältnis zahlungspflichtigen Streitgenossen kann auch zum umgekehrten Ergebnis führen, also dass trotz Vorsteuerabzugsberechtigung eines Streitgenossen die gesamte Umsatzsteuer festzusetzen ist. Das kommt insbesondere in Haftpflichtfällen vor, wenn der Haftpflichtversicherer im Innenverhältnis auch die Kosten der Versicherten zu tragen hat. In diesem Fall kann der Haftpflichtversicherer die gesamten Kosten in eigenem Namen zur Festsetzung anmelden. Dann ist aber auch die auf die Vergütung des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten entfallende Umsatzsteuer erstattungsfähig, da ein Haftpflichtversicherer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Ob der Versicherte zum Vorsteuerabzug verpflichtet ist, ist insoweit unerheblich, da er im Innenverhältnis ja nicht zahlungspflichtig ist (BGH NZV 2006, 74 = NJW 2006, 774; OLG Karlsruhe JurBüro 1993, 35).
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 4/2024, S. 180 - 181