1. Lösung zum Ausgangsfall
I. Anwaltsvergütung
Das Einreichen der Klageschrift und die Mitwirkung an den drei Terminen hat die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV ausgelöst (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV). Für die Vertretung in den drei Terminen ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV angefallen (s. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV). Ferner kann der Rechtsanwalt die 0,3-Zusatzgebühr nach Nr. 1010 VV abrechnen. Es haben drei gerichtliche Termine stattgefunden, in denen Zeugen vernommen worden sind. Dies indiziert, dass es sich um eine besonders umfangreiche Beweisaufnahme gehandelt hat. Es ist also im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen, ob die Beweisaufnahme tatsächlich umfangreich war. Vielmehr fällt die Zusatzgebühr bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (in drei Terminen werden Zeugen oder Sachverständige vernommen) auch dann an, wenn die entsprechenden Vernehmungen nur sehr kurz und tatsächlich einfach waren.
Auch bei dem letzten Termin hat das Gericht die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen, und zwar gem. § 395 Abs. 2 ZPO zur Person. Nr. 1010 VV erfordert also nicht, dass der betreffende Zeuge – hier also die Ehefrau des Klägers – auch zur Sache gehört wurde. Folglich handelt es sich auch um eine Vernehmung eines Zeugen i.S.d. Nr. 1010 VV, wenn der Zeuge vom Gericht aufgerufen und gem. § 395 Abs. 2 ZPO zur Person vernommen wird und sodann von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht.
Somit kann der Klägervertreter folgende Gebühren und Auslagen berechnen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
1.068,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
986,40 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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3. |
0,3-Zusatzgebühr, Nr. 1010 VV |
246,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
441,10 EUR |
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Gesamt |
2.762,70 EUR |
II. Kostenerstattung
Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten der obsiegenden Partei gehören gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO zu den kraft Gesetzes erstattungsfähigen Kosten. Es gibt hier keinen Anlass, ausnahmsweise die Notwendigkeit einzelner Tätigkeiten des Rechtsanwalts zu prüfen. Dies gilt auch für den Umstand, dass die Ehefrau des Klägers erst in dem Termin zur mündlichen Verhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Die Zeugin ist zu dem Verhandlungstermin vom Prozessgericht geladen worden und muss dieser Ladung Folge leisten, um nicht die Verhängung von Ordnungsmitteln zu riskieren. I.Ü. ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger irgendeinen Einfluss auf die Entscheidung seiner Ehefrau, das Zeugnis zu verweigern, genommen hat. Immerhin hatte er seine Ehefrau als Zeugin benannt.
2. Lösung zur 1. Abwandlung
Der Gesetzeswortlaut der Nr. 1010 VV erfordert eindeutig, dass mindestens drei gerichtliche Termine stattgefunden haben, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen worden sind. Diese Mindestanzahl ist hier nicht erfüllt, sodass die Zusatzgebühr nicht angefallen ist. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet bereits deshalb aus, weil es an einer für eine Analogie erforderliche planwidrigen Gesetzeslücke fehlt.
3. Lösung zur 2. Abwandlung
Hier sind zwar drei Termine durchgeführt worden, es handelt sich bei dem Ortstermin des Sachverständigen jedoch nicht um einen gerichtlichen Termin. Außerdem hat der Sachverständige naturgemäß bei seinem Ortstermin auch keine Zeugen oder (weitere) Sachverständige vernommen, was nur dem Prozessgericht oder dem vom Prozessgericht ersuchten Richter vorbehalten ist. Die gegenteilige Auffassung der Rechtspflegerin des LG Ravensbrück ist deshalb abzulehnen. Auch deren Hinweis auf Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV, wonach die Terminsgebühr auch für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins anfällt, führt nicht weiter. Nr. 1010 VV stellt für die Zusatzgebühr hinsichtlich der Arten der Termine eindeutig auf gerichtliche Termine ab, in denen Zeugen oder Sachverständige vernommen werden.
Auch bei dieser Abwandlung fällt die Zusatzgebühr hiermit nicht an.
Autor: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 4/2024, S. 152 - 153