1. Lückenhafte Begründung
a) ZPO-Vorschriften nur entsprechend anwendbar
Das KG referiert die Rspr. des BGH zur Vorlage einer Geldempfangsvollmacht zutreffend und zieht daraus auch grds. die richtigen Schlüsse. Aber: Es bleibt m.E. eine Antwort auf die Frage schuldig, warum diese zivilgerichtliche Rspr. des BGH auch im Strafverfahren Anwendung findet. Ansatzpunkt für eine solche Diskussion wäre m.E. § 464b S. 3 StPO gewesen, wonach die Vorschriften der ZPO (nur) "entsprechend" anzuwenden sind. Und das wird in der Lit. und auch Rspr. zum Anlass genommen, die Vorlage der Vollmacht im Original in den Festsetzungsfällen nicht immer zur fordern (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 1448). Sondern: Wenn die Strafprozessvollmacht nebst Geldempfangsvollmacht dem Gericht nicht als Original schon im Hauptverfahren vorlag und dort als ausreichend angesehen worden ist, ist die Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr zu prüfen (LG Duisburg StraFo 2003, 104 = AGS 2003, 219; Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., m.w.N.).
b) Im Strafprozess Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht erforderlich
Außerdem bedarf es im Strafprozess der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht grds. nicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., 2024, vor § 137 Rn 8). Wenn auch – wie hier – keinerlei greifbare Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Vollmacht widerrufen worden ist oder ein nicht mehr mandatierter Verteidiger zu Unrecht einen Festsetzungsantrag stellt, ist diese Ansicht davon ausgegangen, dass ein Kostenfestsetzungsantrag nicht allein deshalb zurückgewiesen werden darf, weil der Verteidiger statt einer Originalvollmacht lediglich die Kopie einer per Telefax erteilten schriftlichen Vollmacht vorgelegt hat, wenn die Vollmacht ausdrücklich auch das Kostenfestsetzungsverfahren und Geldempfangsvollmacht umfasst, dem Gericht schon als Fax im Erkenntnisverfahren vorgelegen hat und damit im Hauptverfahren als ausreichend angesehen worden ist (LG Duisburg, a.a.O., für per Telefax erteilte schriftliche Vollmacht). Warum für eine per beA eingereichte Kopie etwas anderes gelten soll, erschließt sich mir nicht. Es wäre schön, wenn das KG zu dieser Frage Stellung genommen hätte.
c) Vollständige Zurückweisung nicht geboten
Und: M.E. hätte sich das KG auch zu der Frage äußern können, wenn nicht müssen, warum eigentlich der Antrag insgesamt zurückgewiesen wird. Hätte es nicht ausgereicht, die Auszahlung an den Verteidiger/Rechtsanwalt abzulehnen und zugunsten des antragstellenden Mandanten festzusetzen? Das wäre doch als Minus gegenüber dem geltend gemachten Anspruch m.E. möglich gewesen.
2. Unverständliches Verhalten der Beteiligten
I.Ü.: Unverständlich ist mir das Verhalten "beider Seiten".
Ich kann nach den Beschlussgründen weder nachvollziehen, warum die Bezirksrevisorin auf der Vorlage der Originalvollmacht beharrt hat. Man hat den Eindruck, dass die Vertreterin der Staatskasse es dem Verteidiger – aus welchen Gründen auch immer – "mal zeigen wollte". Erreicht hat sie damit m.E. nichts, außer dass über den Antrag ggf. noch einmal entschieden werden muss. Denn in der Sache ist darüber ja nicht entschieden worden. Also: Doppelte Arbeit.
Aber auch das Verhalten des Verteidigers ist nicht nachvollziehbar. Denn das Bestehen auf einer rechtsmittelfähigen Entscheidung bringt ja nun kein Geld in die Kasse, sondern macht einen neuen Antrag erforderlich. Warum erspart man sich also die Arbeit nicht und erfüllt den Wunsch der Staatskasse, wenn auch "zähneknirschend". Oder noch besser: Warum lässt man sich nicht den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten abtreten – ggf. auch noch nachträglich? Dann braucht man nämlich keine Geldempfangsvollmacht (mehr), weil man ja dann als Verteidiger/Rechtsanwalt einen eigenen Anspruch geltend macht (vgl. dazu AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 25.4.2023 – 664 Ds 4/22 jug).
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 4/2024, S. 186 - 188