RVG § 15

Leitsatz

Die Regulierung eines Unfallschadens mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer und dem eigenen Kaskoversicherer des Auftraggebers sind zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten, in denen der Anwalt die Geschäftsgebühr jeweils gesondert erhält.

AG Herne, Urt. v. 30.12.2008–5 C 167/08

1 Aus den Gründen

Die Frage, ob es sich bei der Regulierung des Schadens aus einem Verkehrsunfall mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer und mit dem eigenen Kaskoversicherer um zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG handelt, ist in der Rspr. umstritten. Das Gericht schließt sich der h.M. an, wonach der dargestellte Sachverhalt als zwei verschiedene Gebührenangelegenheiten behandelt wird (OLG Hamm AnwBl 1993, 141; AG Erfurt zfs 1999, 31; LG Limburg NZV 2006, 605 m.w.N.). Die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers löst daher eine gesonderte Vergütung für die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus. Die Beklagte muss diese zusätzlichen Kosten neben den Kosten der Haftpflichtschadensregulierung im Rahmen ihrer Eintrittspflicht ersetzen, da sie den Kläger auf die vorangegangene Anweisung seines Kaskoversicherers verwiesen hat.

2 Anmerkung

Die Entscheidung des AG Herne ist zutreffend. Bei der Regulierung mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer geht es um die Durchsetzung deliktischer Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer der kraft Direktversicherung unmittelbar haftet. Im Rahmen der Kaskoregulierung werden dagegen vertragliche Ansprüche geltend gemacht gegen den eigenen Versicherer des Auftraggebers. Anlass ist zwar dasselbe Schadensereignis. Die Parteien und die rechtlichen Beziehungen sind dagegen völlig andere.

 
Hinweis

Zu beachten ist, dass die Kosten der Kaskoregulierung als weitere adäquate Schadensfolge vom Haftpflichtversicherer zu ersetzen sind. Das gilt nicht nur in Fällen des sog. Verweisungsprivilegs, wie hier, sondern auch in den Fällen, in denen der Kaskoversicherer wegen Zahlungsverzugs des Haftpflichtversicherers oder einer Mithaftung in Anspruch genommen wird.

Zu beachten ist ferner, dass die Kosten der Kaskoregulierung als weitere Schadensfolge auch den Erledigungswert im Rahmen der Haftpflichtschadensregulierung erhöhen.

 
Praxis-Beispiel

Der Anwalt ist mit einer Verkehrsunfallschadenregulierung beauftragt (Gesamtschaden 25.000,00 EUR). Da der Unfallgegner seine Haftpflichtversicherungsprämie nicht gezahlt hatte, verweist der Haftpflichtversicherer den Geschädigten auf die Inanspruchnahme des eigenen Kaskoversicherers. Der Anwalt reguliert daraufhin den Sachschaden (20.000,00 EUR abzüglich 600,00 EUR Selbstbeteiligung) mit dem Kaskoversicherer.

Hier liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor.[1] Der Anwalt erhält zum einen die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus dem Wert der Haftpflichtschadenregulierung (25.000,00 EUR). Daneben erhält er aus dem Wert der Kaskoschadenregulierung (19.400,00 EUR) eine weitere Geschäftsgebühr. Die Geschäftsgebühr für die Kaskoregulierung ist zudem auch vom Haftpflichtversicherer als Schadensposition zu ersetzen.[2]

Die Geschäftsgebühr für die Kaskoregulierung richtet sich nach dem Wert der Versicherungssumme.

I. Regulierung des Kaskoschadens

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 19.400,00 EUR)   969,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 989,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   187,91 EUR
  Gesamt   1.176,91 EUR

Die Geschäftsgebühr für die Haftpflichtregulierung richtet sich nach dem Wert des ursprünglichen Auftrags (25.000,00 EUR) zuzüglich der Kosten der Kaskoregulierung (1.176,91 EUR), die ja weitere adäquate Schadensfolge des Haftpflichtschadens sind.

II. Regulierung des Haftpflichtschadens

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 26.176,91 EUR)   1.137,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.157,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   219,83 EUR
  Gesamt   1.376,83 EUR

Norbert Schneider

[1] OLG Zweibrücken AnwBl 1968, 363; OLG Hamm AnwBl 1983, 141; LG Flensburg JurBüro 1986, 723; AG Lippstadt AnwBl 1966, 405; 1967, 67; AG Erfurt zfs 1999, 31; a.A. AG Bad Homburg zfs 1987, 173; ausführlich N. Schneider, AGS 2003, 292.
[2] OLG Zweibrücken AnwBl 1968, 363; OLG Hamm AnwBl 1983, 141; LG Flensburg JurBüro 1986, 723; AG Lippstadt AnwBl 1966, 405; 1967, 67; AG Erfurt zfs 1999, 31; a.A. AG Bad Homburg zfs 1987, 173; ausführlich N. Schneider, AGS 2003, 292.

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