RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4, Nrn. 3100, 2300; RVG § 3a

Leitsatz

  1. Hatte die Partei mit ihrem späteren Prozessbevollmächtigten für die außergerichtliche Vertretung eine Vergütungsvereinbarung getroffen und kommt es später zum Rechtsstreit, in dem sie obsiegt, kann sie die volle 1,3-Verfahrensgebühr erstattet verlangen. Mangels Entstehen einer vorgerichtlichen Geschäftsgebühr kommt eine Anrechnung nicht in Betracht. Insbesondere scheidet die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr aus.
  2. Zur Glaubhaftmachung, dass für die außergerichtliche Vertretung eine Vergütungsvereinbarung geschlossen worden ist, genügt im Kostenfestsetzungsverfahren die anwaltliche Versicherung.
  3. Zur Beweislastverteilung hinsichtlich einer eingewandten Anrechnung der Geschäftsgebühr.

KG, Beschl. v. 5.2.2009 – 2 W 228/08

1 Sachverhalt

Nach Abschluss des Rechtsstreits, in dem der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt worden waren, beantragte der Kläger die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr. Der Rechtspfleger des LG hat diese Gebühr zwar berücksichtigt und festgesetzt, gleichzeitig aber eine hälftige Geschäftsgebühr mit 0,75 in Abzug gebracht. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt. Zutreffend sei zwar, dass er seinen Anwalt bereits vorgerichtlich beauftragt habe. Hinsichtlich der außergerichtlichen Vergütung seines Anwalts sei jedoch eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden, wonach er seinem Anwalt für die gesamte außergerichtliche Vertretung ein Pauschalhonorar zu zahlen hatte. Daher komme die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nicht in Betracht.

Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden. Zwar ist die Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung des LG gem. § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO verfahrensfehlerhaft, weil diese Entscheidung durch schlichte Verfügung getroffen worden ist. Sie hätte durch Beschluss ergehen müssen, was ganz h. Rspr. entspricht (OLG Stuttgart MDR 2003, 110; Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 572 ZPO Rn 10). Dieser Auffassung folgte der Senat in std. Rspr. (vgl. Beschl. v. 6.9.2007–2 W 147/07). Der Mangel des Vorlageverfahrens führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung. Das Beschwerdegericht ist auch bei einem derartigen Mangel zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde befugt (OLG Stuttgart a.a.O.).

Der Senat folgt inzwischen in std. Rspr. der Auffassung des BGH (vgl. Beschl. v. 22.1.2008 – VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 [= AGS 2008, 158]), dass die Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Rechtsstreits anzurechnen ist, was insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren zu beachten ist. Die hierfür maßgebende Vorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV sieht eine solche Anrechnung aber nur vor, soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV entstanden ist. Wie der Kläger im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht hat, ist eine solche Gebühr aber für die vorprozessuale Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten tatsächlich nicht entstanden.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger tatsächlich mit seinem Prozessbevollmächtigten ein Pauschalhonorar für dessen vorprozessuale Tätigkeit vereinbart hatte. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass er eine solche Vereinbarung getroffen habe und er dementsprechend eine Abrechnung über Pauschalhonorar erhalten und auch beglichen habe. Die Richtigkeit dieses Vortrages hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers anwaltlich versichert. Dieser Vortrag reicht zur hinreichenden Glaubhaftmachung im vorliegenden Verfahren aus, zumal die Beklagte es beim schlichten Bestreiten des Vortrages des Klägers hat bewenden lassen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei Unaufklärbarkeit der Anrechnungsvoraussetzungen es bei der Beweislastverteilung zu Lasten dessen bleibt, der sich abweichend vom gesetzlichen Regelfall einer 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV auf die Anwendbarkeit der als Ausnahmebestimmung zu wertenden Anrechnungsvorschrift nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV beruft (BGH, Beschl. v. 22.1.2008 – VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Vergütungsvereinbarung nach den Vorschriften des RVG ausnahmsweise unwirksam sein könnte, was die Beklagte pauschal in Frage gestellt hat, sind weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich.

Wird aber im Verhältnis zwischen der Partei und ihrem Anwalt nicht nach den gesetzlichen Gebühren des RVG, sondern nach einer Vergütungsvereinbarung abgerechnet, kommt eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht in Betracht (Hansens, RVGreport 2008, 324).

3 Anmerkung

Zu Leitsatz 1

Das KG folgt insoweit der Rspr. des OLG Frankfurt/M.[1] und widerspricht damit der gegenteiligen Auffassung des OLG Stuttgart.[2]

Die Entscheidung des KG ist insoweit auch zutreffend. Das RVG sieht in Vorbem. 3 Abs. 4 VV nur die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV vor. Die Anrechnung einer vereinbarten Vergütung ist dagegen grundsätzlich nicht vorgesehen.

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