RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4, Nrn. 3100, 2300; RVG § 3a
Leitsatz
Die Anrechnungsvorschrift gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist nicht anzuwenden, wenn zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber für eine vorgerichtliche Tätigkeit wegen desselben Gegenstands wie im nachfolgenden Rechtsstreit eine Gebührenvereinbarung getroffen wurde (Aufgabe von OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.9.2008–8 W 348/08, AGS 2008, 510; Anschluss an OLG Frankfurt AGS 2009, 157 = AnwBl 2009, 310).
OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.4.2009 – 8 WF 32/09
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob sich die Klägerin auf die im Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr eine 0,65-Geschäftsgebühr für ihre schon vorgerichtlich wegen desselben Gegenstands tätig gewesene Bevollmächtigte anrechnen lassen muss oder ob die Anrechnung wegen der getroffenen Gebührenvereinbarung nicht zu erfolgen hat.
Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss die Verfahrensgebühr wegen vorgerichtlicher Tätigkeit beider Bevollmächtigter jeweils um eine 0,65-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV in Höhe von je 393,90 EUR gekürzt.
Dagegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, sie habe mit dieser eine Gebührenvereinbarung dahin getroffen, dass deren vorgerichtliche Tätigkeit mit lediglich 300,00 EUR abgegolten werde. Da somit keine Geschäftsgebühr i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 4 VV angefallen sei, erfolge keine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr.
Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Die Anrechnungsbestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV erfasst nach ihrem Wortlaut nur den Anfall einer Geschäftsgebühr gem. der gesetzlichen Regelung in Nr. 2300 VV und ist damit auf eine vorgerichtliche Tätigkeit mit Vereinbarung eines Pauschalhonorars nicht anwendbar, nachdem diese Möglichkeit in § 4 RVG von Anfang an vorgesehen war (OLG Frankfurt AnwBl 2009, 310; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 17. Aufl., Rn 33 zu § 4 RVG: jedenfalls für den Fall, dass die vereinbarte Vergütung niedriger ist als die gesetzliche; Rick in Schneider/Wolf, RVG, 4. Aufl., Rn 12 zu § 4 RVG).
Eine analoge Anwendung der Anrechnungsbestimmung auf den Fall einer Honorarvereinbarung für eine vorgerichtliche Tätigkeit ist nicht veranlasst.
Der Gesetzgeber hat die Anrechnung eines insoweit vereinbarten Honorars auf die Gebühr für eine spätere Tätigkeit in § 34 Abs. 2 RVG lediglich bei einer vorgerichtlichen Beratung vorgesehen, deren Vergütung regelmäßig durch Vereinbarung festzulegen ist. Die Anrechnung erfolgt hier jedoch nur, soweit nichts anderes vereinbart ist.
Für eine analoge Anwendung der Anrechnungsbestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf den Fall einer Gebührenvereinbarung für eine vorgerichtliche Tätigkeit sieht der Senat keinen Anlass.
An der in Übereinstimmung mit dem Bayerischen VGH (NJW 2006, 1990 = AGS 2007, 154) ergangenen Entscheidung des Einzelrichters des Senats (AGS 2009, 512) wird nicht festgehalten.