I. Ausgangssituation
Die klageweise Geltendmachung offener Forderungen aus infolge Zahlungsrückstands gekündigten Mobilfunkverträgen stellt in der amtsgerichtlichen Praxis ein "Massengeschäft" dar. Die Mobilfunkanbieter mahnen den sich in Zahlungsrückstand befindlichen Vertragspartner zunächst selbst und beauftragen bei Erfolglosigkeit anschließend eine – üblicherweise stets ein und dieselbe – Rechtsanwaltskanzlei mit der Rechtsverfolgung.
Diese lässt dem Zahlungsschuldner zunächst – unter Verwendung einer eigens dafür erstellten EDV-Eingabemaske – eine neuerliche Zahlungsaufforderung mit Ratenzahlungsangebot im Umfang einer DIN-A4-Seite zukommen. In diesem Schreiben wird der Zahlungsschuldner unter Hinweis auf die Beauftragung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens letztmalig zur Zahlung aufgefordert. Ferner findet sich in diesem Schreiben eine Forderungsaufstellung, die neben den Positionen "Hauptforderung", "Auslagen", "Verzugszinsen" und "Kosten bisheriger Ermittlungen" auch die Position "Rechtsanwaltsgebühr gem. Nr. 2300 VV inkl. Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV" enthält.
Die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV wird dabei regelmäßig mit einer 1,3-Gebühr angesetzt. Prozessual wird dieser – dem eigenen Mandanten in Rechnung gestellte – Betrag anschließend als klägerische Nebenforderung (materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch) gegenüber dem Beklagten geltend gemacht.
Die von dem Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG nach billigem Ermessen im Einzelfall vorzunehmende Bestimmung der Gebühr ist gem. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG jedoch nicht verbindlich, sofern sie von einem Dritten zu ersetzen und unbillig ist.
Gelangt das Gericht bei der Prüfung der Ermessensausübung durch den Rechtsanwalt zu der Überzeugung, dass die Gebühr unbillig ist, ersetzt es das anwaltliche durch eigenes Ermessen.
Welche Maßstäbe an die gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung anzulegen sind und ob bzw. in welchem Umfang Toleranzgrenzen Berücksichtigung finden müssen, kann vorliegend dahinstehen, da es sich um eine hier nachgelagerte Verfahrensfrage handelt. Vorrangig ist zu ermitteln, ob für eine über reine Inkassotätigkeit nicht hinausgehende anwaltliche Leistung der Ansatz einer 1,3-Gebühr gem. Nr. 2300 VV gerechtfertigt ist bzw. welche Gebührenhöhe üblicherweise in derartigen Fällen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit gem. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG in Ansatz gebracht werden kann.
II. Angemessene Gebührenhöhe
Bei der Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV handelt es sich um eine Satzrahmengebühr mit einer Gebührenspanne von 0,5 bis 2,5 mit einer Mittelgebühr von 1,5. Gem. Anm. zu Nr. 2300 VV wird die Gebühr auf 1,3 beschränkt (sog. Schwellengebühr), wenn die Tätigkeit des Anwalts weder umfangreich noch schwierig war.
Die im jeweiligen Einzelfall entstandene Gebühr muss anhand der in Anm. zu Nr. 2300 VV angegebenen Kriterien des Umfangs und der Schwierigkeit sowie der für Rahmengebühren in § 14 RVG normierten Kriterien festgestellt werden. Die (abgesenkte) Schwellengebühr stellt die konkrete billige Gebühr in den "Normalfällen" dar, d.h. in den Fällen, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind. Jedes der Bemessungskriterien kann Anlass sein, von diesem Wert nach oben oder unten abzuweichen, soweit ein Umstand nicht dem Durchschnitt entspricht.
Gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr bei Rahmengebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen.
Die Worte "vor allem" verdeutlichen zum einen, dass es sich um eine nicht abschließende Aufzählung handelt, zum anderen, dass die Kriterien des Umfangs und der Schwierigkeit die wichtigsten sind und die angemessene Gebühr zunächst danach zu bemessen ist. Die übrigen Kriterien werden nachgelagert als Korrektiv herangezogen. Die herausragende Bedeutung dieser die anwaltliche Leistung ausdrückenden Kriterien wird auch durch die Formulierung in der amtlichen Anm. zu Nr. 2300 VV unterstrichen.
1. Umfang
Der Umfang beschreibt den zeitlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt auf eine Sache tatsächlich verwenden muss. Entscheidend ist nicht etwa der Umfang, der nach außen hin für den Mandanten, den Gegner oder das Gericht sichtbar ist.
Bei der Bemessung des Umfangs sind insbesondere das Studium der vom Mandanten zur Verfügung gestellten Unterlagen einschließ...