RVG § 15a Abs. 2, 2. Alt.; RVG VV Nrn. 2300, 3100, Vorbem. 3 Abs. 4
Leitsatz
Eine als Nebenforderung mit der Hauptsacheklage geltend gemachte vorgerichtliche Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV wird durch einen Prozessvergleich über die streitgegenständlichen Forderungen mit Abgeltungsklausel nur i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Alt. RVG tituliert, wenn und soweit die Parteien einen bezifferten Einzelbetrag als auf die Geschäftsgebühr entfallend vereinbaren.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.4.2010–13 W 159/09
Sachverhalt
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss stellte die Rechtspflegerin des LG die Kosten des Klägervertreters mit 4.380,39 EUR in ihre Kostenausgleichsberechnung ein. Gegen diesen Kostenansatz wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er beanstandet den Kostenansatz für den Klägervertreter, da
1. aufgrund der gleichzeitigen Vertretung des Drittwiderbeklagten ein Interessenkonflikt bestanden habe, welcher zur Nichtigkeit beider Mandate führe, so dass ein Vergütungsanspruch des Klägervertreters bezüglich des gerichtlichen Verfahrens nicht entstanden sei;
2. die unstreitig angefallene vorgerichtliche Geschäftsgebühr, geltend gemacht mit Antrag Nr. 4 der Klage, nach Auffassung des Beklagten durch den Prozessvergleich mit umfassender Abgeltungsklausel i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Alt. RVG tituliert worden und daher auf die Verfahrensgebühr des vorliegenden Verfahrens anzurechnen sei. Durch die Leistung des Vergleichsbetrages habe der Beklagte den vorgerichtlichen Geschäftsgebührenanspruch in Anwendung der Anrechnungsbestimmung der §§ 366, 367 BGB auch i.S.d. § 15a Abs. 2, 1. Alt. RVG erfüllt. Die Anrechnung hält der Beklagte darüber hinaus nach § 15a Abs. 2, 3. Alt. RVG für geboten, da vorgerichtliche Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr vorliegend in demselben Verfahren geltend gemacht würden.
3. Der mit dem angefochtenen Beschluss festgesetzte Erstattungsbetrag sei aus diesen Gründen nur zur Abwendung der angedrohten Zwangsvollstreckung bezahlt worden.
Die Klägerin ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten. Sie bestreitet einen Interessenkonflikt im Verhältnis zum Drittwiderbeklagten.
Einer Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr steht nach ihrer Auffassung § 15a Abs. 1 RVG entgegen, da der Beklagte die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Anrechnung nach § 15a Abs. 2, 1. bis 3. Alt. RVG nicht dargelegt und bewiesen habe.
Eine Leistung auf den Vergleich stelle keine Erfüllung i.d.S. dar, da die Abgeltungsklausel einen Teilverzicht beinhalte und die geltend gemachte vorgerichtliche Geschäftsgebühr daher allenfalls in Höhe eines nicht näher dargelegten Anteiles erfüllt sein könne. Im Übrigen sei Erfüllung als materiellrechtlicher Einwand aufgrund streitiger Voraussetzungen nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen.
Darüber hinaus habe der Beklagte den festgesetzten Betrag bereits vorbehaltlos gezahlt und damit den Erstattungsanspruch der Klägerin anerkannt.
Die sofortige Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, ist unbegründet.
Aus den Gründen
Die Einwendungen des Beklagten gegen den Ansatz der Kosten des Klägervertreters rechtfertigen im Ergebnis keine abweichende Festsetzung.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Beklagte den Kostenansatz allerdings nicht durch vorbehaltlose Zahlung anerkannt.
Unabhängig davon, ob die unstreitige Zahlung des festgesetzten Erstattungsbetrages an die Klägerin auf eine Androhung der Zwangsvollstreckung hin erfolgt war, enthält die vorbehaltlose Begleichung einer Rechnung über den Charakter als Erfüllungshandlung hinaus nicht ohne Weiteres die Aussage, zugleich den Bestand der erfüllten Forderung außer Streit stellen zu wollen (BGH NJW 2009, 580 ff.).
Ein derartiger Erklärungsgehalt würde vielmehr das Vorliegen weiterer Umstände, welche geeignet wären, eine derartige Wertung zu tragen, erfordern. Hierfür hat die Klägerin nichts vorgetragen; im vorliegenden Fall der Leistung auf einen vorläufig vollstreckbaren Titel noch vor Ablauf der Beschwerdefrist ist von einem entsprechenden Erklärungswillen auch nicht auszugehen.
2. Der behauptete Interessenkonflikt aufgrund der Vertretung sowohl der Klägerin als auch des Drittwiderbeklagten stellt eine materiellrechtliche Einwendung gegen den Vergütungsanspruch des Klägervertreters dar, welche im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden kann, da ihre tatsächlichen Voraussetzungen streitig und entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ohne genauere Prüfung keineswegs eindeutiger Rechtsfragen festzustellen sind (std. Rspr., für viele BGH NJW 2007, 1213 ff.).
3. Die mit der Hauptsacheklage geltend gemachte und durch den Vergleich unstreitig mit abgegoltene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV ist entgegen der Beschwerdebegründung auch nicht in dem Hauptsachestreitwert entsprechender Höhe hälftig auf die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV anzurechnen.
Die Voraussetzungen für eine Anrechnung gem. § 15a Abs. 2 RVG liegen nicht vor:
a) Der Senat hält an der bereits mit Beschl. v. 17.11.2009 (13 W 134/09) bzw. v. 23.12...