RVG § 15a Abs. 2, 2. Alt.; RVG VV Nrn. 2300, 3100, Vorbem. 3 Abs. 4
Leitsatz
- Ein Kostenschuldner kann im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren nur ausnahmsweise eine Reduzierung des Gesamtbetrages wegen Anrechnung von angefallenen vorgerichtlichen Gebühren verlangen. Nach § 15a Abs. 2 RVG kommt das nur in Betracht, wenn er entweder nachweisen kann, dass die vorgerichtliche Gebühr bereits vollständig erstattet worden ist (Alt. 1) oder dass die vorgerichtliche Gebühr bereits tituliert ist (Alt. 2), oder schließlich dann, wenn beide Gebühren vollständig im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (Alt. 3).
- Als Nachweis der Erfüllung i.S.d. Alt. 1 kommt in einem Kostenfestsetzungsverfahren, in dem materiell-rechtliche Einwendungen nicht geprüft werden, ein Vergleich mit einer allgemeinen Abgeltungsklausel nicht in Betracht, weil die Abgeltungswirkung nur den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch erfassen kann. Der Nachweis wäre nur dann zu führen, wenn der Vergleich eine entsprechende ausdrückliche Formulierung zur Erstattung bzw. Teil- oder Nichterstattung der vorgerichtlichen Kosten der Parteien enthielte oder wenn darin die Höhe der als erfüllt anzusehenden vorgerichtlichen Gebühren beziffert bzw. eindeutig bestimmbar ist.
OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.2.2010–2 W 13/10
Sachverhalt
Das LG hat nach einem Vergleich in der Hauptsache die von den Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldner an die Klägerin zu erstattenden Kosten festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beklagten mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie meinen, dass eine teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV vorzunehmen sei, weil die Geschäftsgebühr im Hauptverfahren geltend gemacht worden und vom gerichtlichen Vergleich abgegolten sei.
Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Die Rechtspflegerin hat die begehrte anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu Recht verweigert.
Allerdings gehen die Beklagten – und ihnen insoweit folgend auch das LG – zutreffend davon aus, dass die Vorschrift des § 15a Abs. 2 RVG für alle am 5.8.2009 noch nicht abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104 ff. ZPO anzuwenden ist (vgl. hierzu Beschl. des erkennenden Senats v. 18.2.2010–2 W 5/10 m. w. Nachw.).
Während § 15a Abs. 1 RVG vor allem eine Regelung für das Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem Rechtsanwalt betrifft, auf welches sich auch die Anrechnungsvorschriften im Vergütungsverzeichnis zum RVG als Höchstsummenbegrenzung bei gleichzeitigem Wahlrecht des Rechtsanwalts beziehen, gilt im Verhältnis des Mandanten zu Dritten, dass sich Dritte, wie hier die Beklagten als Kostengesamtschuldner gegenüber der Klägerin, grundsätzlich nicht zu ihren Gunsten auf diese Anrechnungsvorschriften berufen können. Hiervon sieht § 15a Abs. 2 RVG zur Vermeidung der Titulierung von Beträgen, die die o.g. Höchstsumme überschreiten, drei Ausnahmen vor:
Die Kostenschuldner im Kostenfestsetzungsverfahren können danach eine Reduzierung des Betrages im Kostenfestsetzungsbeschluss verlangen, wenn sie entweder nachweisen können, dass eine der beiden Gebühren bereits vollständig erfüllt ist (Alt. 1) oder dass eine der beiden Gebühren bereits tituliert ist (Alt. 2), oder schließlich, wenn beide Gebühren vollständig im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (Alt. 3). Letzteres dürfte selten der Fall sein (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 29.9.2009 – X ZB 1/09, NJW 2010, 76) – eine solche Situation liegt jedenfalls hier nicht vor, weil die Klägerin die volle Geschäftsgebühr weder in Ansatz gebracht hat noch als Kosten des Rechtsstreits in Ansatz bringen kann (vgl. OLG München, Beschl. v. 13.10.2009–11 W 2244/09, MDR 2009, 1417). Die zweitgenannte Alt. liegt unstreitig nicht vor und wird von den Beklagten auch nicht geltend gemacht. Auch die Voraussetzungen der erstgenannten Alt. sind nicht erfüllt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren gilt der weitere Grundsatz, dass materiell-rechtliche Einwendungen unbeachtlich bleiben und gegebenenfalls im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen sind. Als Nachweis der Erfüllung kommt daher ein Vergleich mit einer allgemeinen Abgeltungsklausel nicht in Betracht, weil die Abgeltungswirkung zwar den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch erfassen kann, nicht aber den prozessualen Anspruch. Der Nachweis wäre nur dann zu führen, wenn der Vergleich eine entsprechende ausdrückliche Formulierung zur Erstattung bzw. Teil- oder Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten der Parteien enthielte oder wenn z.B. die Höhe der als erfüllt anzusehenden vorgerichtlichen Gebühren beziffert ist (vgl. Beschl. des erkennenden Senates, a.a.O.). Dies ist hier nicht der Fall, wie die Rechtspflegerin in ihrem Nichtabhilfebeschluss zutreffend ausgeführt hat.