RVG VV Nr. 3104; VwGO § 93; ZPO § 147
Leitsatz
- Verbindet ein Verwaltungsgericht nach ihrem Aufruf mehrere Sachen zur gemeinsamen Verhandlung, bleibt es bei getrennten Terminsgebühren, die auf der Grundlage des für jedes der "verbundenen Verfahren" geltenden Streitwerts zu ermitteln sind.
- Hatte das Verwaltungsgericht schon ladungsbegleitend die Verfahren nur zur gemeinsamen Verhandlung verbunden, spricht Überwiegendes dafür, dass dies an diesem Ergebnis nichts ändert.
OVG Lüneburg, Beschl. v. 22.1.2010–1 OA 246/09
Sachverhalt
Die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten wenden sich dagegen, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Terminsgebühr auf der Grundlage der Summe beider in den Verfahren 2 A 69 und 74/07 geltenden Streitwerte ermittelt hat, weil das VG beide eingangs der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung verbunden hatte; für jedes der Verfahren hatte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Höhe der Terminsgebühr nach dem Anteil ermittelt, den das jeweilige Verfahren am Gesamtstreitwert hatte.
In den Klageverfahren wandten sich der Kläger (im Verfahren 2 A 69/07) und beide Kläger (im Verfahren 2 A 74/07) als Eigentümer der im Bereich der Beklagten liegenden Grundstücke D.-Straße 37 und 39 gegen die Heranziehung zu Vorausleistungen auf Sanierungsausgleichsbeträge sowie gegen die Gebühren, welche die Beklagte für die Zurückweisung der Widersprüche erhoben hatte. Im Verfahren 2 A 69/07 waren das 16.850,00 EUR Sanierungsausgleichsbetrag zuzüglich 275,00 EUR Widerspruchsgebühren; im Verfahren 2 A 74/07 15.464,00 EUR Sanierungsausgleichsbetrag zuzüglich 255,00 EUR Widerspruchsgebühren. Nach Aufruf der Sache stellte der Vorsitzende ausweislich des Protokolls die Erschienenen fest – für die Beschwerdeführer/Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten war Herr Rechtsanwalt Sch. in Untervollmacht. Anschließend erging folgender Beschluss:
"Die Verfahren 2 A 69/07 und 2 A 74/07 werden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden."
Die Klagen hatten keinen Erfolg. Mit Beschl. v. gleichen Tag setzte das Verwaltungsgericht den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren 2 A 69/07 auf 7.125,00 EUR und für das Verfahren 2 A 74/07 auf 15.719,00 EUR fest.
Daraufhin beantragten die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten, die im Tenor genannten Beträge gem. § 104 ZPO festzusetzen. Die Gebühren errechneten sie dabei auf der Grundlage der Streitwerte, welche das VG festgesetzt hatte. Die Verfahrensgebühr (1,3-facher Satz) in Höhe von 735,80 EUR ist hier nicht streitig. Als Terminsgebühr haben die Verfahrensbevollmächtigten nach Nr. 3104 VV als 1,2-fachen Satz bezogen auf die genannten Streitwerte 727,20 EUR bzw. 679,20 EUR als festzusetzen eingesetzt.
Die Urkundsbeamtin berechnete die Terminsgebühr jedoch nur nach dem Anteil bezogen auf die Gebühr, die sich auf den Gesamtstreitwert von 32.844,00 EUR ergibt, und setzte daher in den im Tenor genannten Kostenfestsetzungsbeschluss die Terminsgebühr für das Verfahren 2 A 69/07 auf 519,31 EUR und für das Verfahren 2 A 74/07 auf 476,69 EUR (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer) fest.
Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat das VG im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:
Entgegen der Annahme der Beschwerdeführer seien beide Verfahren infolge ihrer Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung für die Dauer der mündlichen Verhandlung zu einer (einzigen) Angelegenheit geworden. Dementsprechend sei nur eine Terminsgebühr entstanden, die auf der Grundlage des Verhältnisses auf beide Verfahren zu verteilen sei, in der die Teilstreitwerte zum Gesamtstreitwert stünden. Aus dem Beschluss des Niedersächsischen OVG v. 6.8.2002 (9 OA 243/02, V.n.b.) folge anderes nicht.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten, die auch Erfolg hatten.
Aus den Gründen
Die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten sind befugt, eigenen Namens die Beschwerde zu führen.
Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das VG die Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle gebilligt, bei einer Verbindung mehrerer Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung sei die Terminsgebühr auf der Grundlage eines Streitwerts zu bemessen, der sich aus der Addition aller Streitwerte der zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren bemisst.
Über die Beantwortung der Frage, wie sich die Verbindung mehrerer Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung auf die Terminsgebühr auswirkt, herrscht Streit. Das gilt namentlich im Verhältnis der Verwaltungs- zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Die insoweit maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 147 ZPO Prozessverbindung
Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.
§ 93 VwGO Verbindung und Trennung von Verfahren
Das Gericht kann durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenst...