Der als Pflichtverteidiger beigeordnete Erinnerungsführer begehrt die Festsetzung einer Verfahrensgebühr gem. Nr. 4141 i.V.m. Nr. 4107 VV in Höhe von 137,00 EUR hinsichtlich eines abgetrennten Tatvorwurfs, der nach Verurteilung im Übrigen schließlich gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat diesen Antrag zurückgewiesen. Sie ist der Auffassung, dass für die Festsetzung weiterer als der bisher festgesetzten Gebühren kein Raum sei, da es sich noch immer um "dieselbe Angelegenheit" i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG handele. Im Übrigen sei jedenfalls die "Befriedungsgebühr" Nr. 4141 VV nicht entstanden, da der Verteidiger an der – förmlich erst mit Beschl. v. 17.9.2009 erfolgten Teileinstellung – nicht mitgewirkt habe (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV).
Die Rechtsauffassung der Urkundsbeamtin ist unzutreffend.
Beide beantragten Gebühren stehen dem Erinnerungsführer (wenn auch nicht ganz in der geforderten Höhe) zu.
a) Zum Verfahrensgang
Der Erinnerungsführer war dem – inhaftierten – Angeklagten mit Beschl. v. 16.7.2008 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Zu jenem Zeitpunkt war Gegenstand des Verfahrens nur die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin v. 2.7.2008 (47 Js 395/08 – Tat vom 23.3.2008).
Am 27.8.2008 wurde das Verfahren (420) 47 Js 685/08 (62/08), in welchem der Erinnerungsführer dem Angeklagten bereits mit Beschl. v. 11.8.2008 beigeordnet worden war, zum führenden Verfahren (420) 47 Js 395/08 (60/08) verbunden.
Mit weiterem Beschl. v. 27.8.2008 hat das Gericht aus jener weiteren Anklage den Tatvorwurf zu 2. (Tat vom 28.4.2007) zur Hauptverhandlung zugelassen, denjenigen zu 1. (Tat vom 5.11.2006) indes zur gesonderten Entscheidung abgetrennt.
In der Folgezeit wurden über die Taten vom 23.3.2008 und 28.4.2007 Hauptverhandlungen vor dem Jugendschöffengericht (Urt. v. 8.10.2008) und dann in der Berufungsinstanz vor dem LG Berlin (Urt. v. 15.5.2009) durchgeführt. Während der Angeklagte erstinstanzlich nur wegen der Tat vom 23.3.2008 verurteilt und wegen der Tat vom 28.4.2007 freigesprochen wurde, wurde er durch das LG Berlin wegen beider Taten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig, da der Angeklagte auch wegen des erstmals verurteilenden Teils keine Revision eingelegt hat.
Das Akzeptieren des landgerichtlichen Urteils durch den Angeklagten beruhte auf Verständigungen mit der Staatsanwaltschaft und dem hier erkennenden Gericht. Verkürzt hatte der Erinnerungsführer mit der – für alle vorgenannten Tatvorwürfe zuständigen – Staatsanwältin besprochen, dass diese wegen der noch offenen Tat vom 5.11.2006 eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO beantragen werde, wenn gegen das Berufungsurteil kein Rechtsmittel eingelegt werde. Entsprechend hat die Staatsanwaltschaft dann auch dem erkennenden Gericht gegenüber bereits am 25.5.2009 fernmündlich ihre Zustimmung zur Einstellung des verbliebenen Tatvorwurfs gegeben; dass der förmliche Einstellungsbeschluss erst Monate später erging, ist auf gerichtsorganisatorische Umstände zurückzuführen.
b) Gebührenanspruch des Verteidigers hinsichtlich der abgetrennten Tat vom 5.11.2006
Dem Verteidiger steht auch hinsichtlich der abgetrennten (und dann eingestellten) Tat vom 5.11.2006 die Verfahrensgebühr (mit Zuschlag) nach Nr. 4107 VV in Höhe von 137,00 EUR zu. Denn es handelt sich nach der Abtrennung nicht mehr um "dieselbe Angelegenheit" i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG. Gebührenrechtlich werden mit der Abtrennung von Verfahren (oder eben auch einzelnen Tatvorwürfen) die abgetrennten Verfahren selbstständige Verfahren (vgl. KG, Beschl. v. 1.11.2006–4 Ws 170/06 m. w. Nachw., www.burhoff.de; Burhoff, RVGreport 2008, 444 m. w. Nachw.).
Das liegt auch auf der Hand.
Wäre es wegen jener verbleibenden Tat nicht zu der letztlich erfolgten Einstellung gekommen, hätte eine weitere Hauptverhandlung stattfinden müssen. Dass spätestens dann ohnehin weitere Gebühren entstehen, wird niemand ernsthaft bezweifeln wollen. Daraus aber ergibt sich, dass bereits mit der Trennung nunmehr zwei selbstständige Verfahren vorliegen, für welche gebührenrechtlich auch mehrere Verfahrensgebühren anfallen können (KG a.a.O.).
Dem Erinnerungsführer steht auch die so genannte "Befriedungsgebühr" nach Nr. 4141 VV zu. Nach dem oben dargestellten tatsächlichen Geschehen (vgl. Vermerk des erkennenden Richters v. 16.10.2009) kann es nicht zweifelhaft sein, dass der Verteidiger an der Entbehrlichkeit (zumindest) einer (weiteren) Hauptverhandlung mitgewirkt und das Verfahren insoweit gefördert hat.
Zwar ist grundsätzlich die Auffassung, dass bloßes Nichtstun (hier: Nichteinlegen eines Rechtsmittels) für sich genommen keine Gebührenansprüche auslösen kann, zutreffend. Hier liegt der Fall jedoch anders: Der Erinnerungsführer hat – im Einverständnis mit seinem Mandanten – deswegen kein Rechtsmittel gegen das Urteil des LG eingelegt, weil er dadurch die Einstellung eines weiteren Tatvorwurfes bewirken konnte. Dass in diesem Fall auch eine "Nicht-Handlung" verfahrensfördernd und hauptverhandlu...