Der Kernsatz in der Begründung des vorstehenden Beschlusses lautet: "Wenn eine Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter in Kenntnis drohender Präklusion die Flucht in die Säumnis antritt, handelt er schuldhaft. Dann ist eine Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG zu verhängen."
Das kann man auch anders ausdrücken: Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten haben ihre Verfahrensrechte nur so auszuüben, dass das Verfahren nicht durch eine vermeidbare Entscheidung des Gerichts verzögert wird.
Dieser Trend zur Verhängung einer Verzögerungsgebühr bei der Flucht in die Säumnis verstärkt sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren immer mehr.
Hinter den pseudo-methodischen Ausführungen im vorstehenden Beschluss verbirgt sich lediglich der Widerwille gegen eine für das Gericht lästige Vertagung. Für sich selbst lässt das Gericht dies nicht gelten. Da gilt dann "Dieser Termin wurde aus innerdienstlichen Gründen verlegt". Es macht einen fassungslos, dass ausgerechnet die Arbeitsgerichte trotz des Beschleunigungsgebotes in § 9 Abs. 1 ArbGG "Tabellenführer" in Sachen Verzögerung sind. In § 60 Abs. 4 S. 3 ArbGG wird den Arbeitsgerichten vorgeschrieben: "Ein Urteil, das in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet wird, ist vor Ablauf von drei Wochen, vom Tage der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln".
Weil dagegen häufig verstoßen wird, kann ein verkündetes Urteil eines LAG durch sofortige Beschwerde angefochten werden, wenn es nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung vollständig abgefasst und mit den Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Was sich da in der Arbeitsgerichtsbarkeit manchmal abspielt, ist katastrophal. Eine Entscheidung des BVerfG in NJW 2001, 2161 macht das deutlich:
Am 4.12.1996 war ein klageabweisendes Urteil verkündet worden. In vollständiger Fassung wurde es den Parteien nicht etwa vor Ablauf von drei Wochen (§ 60 Abs. 4 S. 2 ArbGG) zugestellt, sondern erst im April 1998. Die dagegen eingelegte Berufung wies das LAG durch ein am 17.12.1998 verkündetes Urteil zurück. In vollständiger Form wurde es den Parteien am 26.6.2000 zugestellt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92a ArbGG) wurde vom BAG als unzulässig verworfen.
Dies hat das BVerfG nicht mitgemacht: "Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Gleichzeitig gebietet es die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Pflicht zur Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und zur Herstellung von Rechtssicherheit, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden. Nach diesem Maßstab verletzt die Entscheidung des LAG die Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Eine landearbeitsgerichtliche Entscheidung, in der die Revision nicht zugelassen wurde und deren vollständige Gründe erst mehr als fünf Monate nach Verkündung unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben worden sind, kann keine geeignete Grundlage mehr für das Revisionsrecht sein, um das Vorliegen von Revisionszulassungsgründen in rechtsstaatlicher Weise zu überprüfen. Ein LAG, das ein Urteil in vollständiger Fassung erst so spät absetzt, erschwert damit für die unterlegene Partei den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise."
So geht das in den Beschlussgründen des BVerfG weiter. Es ist irritierend, wenn Arbeitsgerichte ihre eigene Verzögerungspraxis ignorieren und gegenüber den Parteien den Schulmeister spielen. Anwälte werden sich überlegen müssen, welche Gegenmaßnahmen sie ergreifen. Wird ein Hinweis auf eine drohende Präklusion erst im Termin gegeben, dann ist der betroffenen Partei ein Schriftsatznachlass einzuräumen (§§ 139 Abs. 5, 283 ZPO). Wird der Hinweis terminsvorbereitend erteilt und muss der Anwalt bei diesem Gericht mit der Anwendung des § 38 GKG rechnen, wenn er im Termin nicht auftritt, dann ist es besser, er erscheint gar nicht. Da das Gericht den Grund der Säumnis nicht kennt, darf es keine "Flucht in die Säumnis" unterstellen. Dazu müsste es erst durch entsprechende Hinweise den Grund aufklären. Vielleicht handelt der Gegenanwalt auch kollegial und beantragt kein Versäumnisurteil. Mit einer Entscheidung nach § 331a ZPO ist in solchen Fällen nicht zu rechnen. Das würde dem Gericht weit mehr Arbeit bescheren als eine Vertagung (§§ 331 a S. 2, 251 a Abs. 2 ZPO).