RVG VV Nrn. 1000, 1003; ZPO § 91a
Leitsatz
Zu den Anforderungen um eine "Einigung" i.S.d. Nrn. 1000, 1003 VV, wenn die Parteien dem Gericht die Kostenentscheidung überlassen.
OLG Köln, Beschl. v. 25.1.2010–17 W 8/10
Sachverhalt
Mit seiner Klage begehrte der Kläger vom Beklagten Herausgabe zahlreicher benannter Gegenstände sowie im Wege der Stufenklage Auskunft über sich im Besitz des Beklagten befindende weitere Gegenstände. Im Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem LG heißt es wie folgt:
"Die Parteien konnten Einigkeit dahingehend erzielen, dass die Gegenstände, die sich in den Containern befinden, herausgegeben werden."
Auf Bitten beider Parteien wurde das Verfahren deswegen zum Ruhen gebracht. In der Folgezeit wurden die Sachen in den Containern in Augenschein genommen und sodann vom Kläger übernommen. Nunmehr erklärten beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Das LG legte dem Beklagten mit Beschluss die Kosten des Rechtsstreits auf.
Zur Festsetzung angemeldet hat der Kläger u.a. eine 1,0-Einigungsgebühr gem. Nrn. 1003, 1000 VV. Hierzu verweist er auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls. Er ist der Ansicht, es sei für den Anfall der Einigungsgebühr nicht von Bedeutung, dass man dem Gericht die Kostenentscheidung überlassen habe.
Der Beklagte meint, es liege gar keine Einigung in gebührenrechtlichem Sinne vor, da es anlässlich der Besichtigung und Herausgabe der in den Containern gelagerten Sachen weiterhin zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien gekommen sei, unter anderem auch wegen der Tragung der Kosten der Einlagerung.
Der Rechtspfleger hat die Festsetzung der Einigungsgebühr mit der Begründung abgelehnt, es sei kein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden. Des Weiteren gehörten die außergerichtlichen Kosten des Vergleichs nur dann zu den zu erstattenden Kosten, wenn die Parteien Entsprechendes vereinbaren würden, woran es vorliegend fehle.
Nach Eingang der Rechtsmittelschrift ist der Rechtspfleger bei seiner Ansicht geblieben, die "Einigung" im Termin sei einem Vergleichsabschluss nicht gleichzustellen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so scheitere die Erstattungsfähigkeit zum einen an § 98 ZPO; zum anderen setze die Erstattungsfähigkeit voraus, dass die Parteien einen als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO protokollieren ließen (BGH, Beschl. v. 26.9.2002 – III ZB 22/02).
Trotz weiteren Vorbringens des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers unter Hinweis auf Rspr. und Lit. hat der Rechtspfleger zur Begründung seines Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses auf die im Kostenfestsetzungsbeschluss gegebene Begründung Bezug genommen und nunmehr erstmals ohne Begründung die Ansicht vertreten, das Übereinkommen der Parteien im Termin stelle keine Einigung, sondern ein Anerkenntnis dar, wodurch die Einigungsgebühr nicht ausgelöst worden sei.
Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde hatte vollen Erfolg.
Aus den Gründen
Die vom Rechtspfleger gegebenen wechselnden Begründungen sind rechtsirrig, beruhen insbesondere darauf, dass von ihm das inzwischen mehr als 5 1/2 Jahre geltende Recht in Form des RVG offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen wird und er – insoweit allerdings folgerichtig – sich auf eine Entscheidung des BGH beruft, die noch zur BRAGO ergangen war, infolge der Rechtsänderung jedoch überholt ist.
1. Von der an sich gebotenen Aufhebung und Zurückverweisung sieht der Senat nach alledem ab. Eine solche wäre geboten, weil ein Verstoß gegen den im GG garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör vorliegt, Art. 103 Abs. 1 GG. Nach unbestrittener Ansicht in Rspr. u. Lit. (s. Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 572 Rn 11 m. zahlr. Nachw.), der auch der erkennende Senat in std. Rspr. folgt, ist ein Nichtabhilfebeschluss jedenfalls dann gesondert und nicht nur floskelhaft durch Bezugnahme auf die bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss gegebene Begründung zu bescheiden, wenn der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren neue Tatsachen vorgebracht hat oder auf Lit. und Rspr. hinweist. Dann ist der Rechtspfleger zwingend gehalten, sich mit der Argumentation des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Dem genügt die vom Rechtspfleger gegebene Begründung nicht ansatzweise, mit der er einerseits auf eine – wie noch auszuführen sein wird – völlig verfehlte Rechtsauffassung im Kostenfestsetzungsverfahren verweist und als weiteres Argument einen Gesichtspunkt heranzieht, der bis dahin von keinem der Beteiligten vorgebracht wurde, ohne dies näher zu erläutern (Anerkenntnis).
2. Bei Anwendung des vom Rechtspfleger übergangenen geltenden Rechts steht dem Kläger die zur Festsetzung beantragte Einigungsgebühr nach Nrn. 1003, 1000 VV unbedenklich zu. Nach den Motiven des Gesetzgebers zu Nr. 1000 VV (s. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u.a., RVG, 18. Aufl., Nr. 1000 Rn 1) hängt das Entstehen der Einigungsgebühr nicht mehr davon ab, ob die Parteien einen Vergleich i.S.d. § 779 Abs. 1 BGB geschlossen haben, was bei § 23 BRAGO Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen der Vergleichsgebühr war....