RVG § 58 Abs. 1 u. 2;BerHG § 9
Leitsatz
Wird ein Rechtsanwalt außergerichtlich für einen Mandanten im Beratungshilfemandat tätig, werden die vom Gegner des Mandanten zu ersetzenden Kosten auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung angerechnet, auch wenn die Wahlanwaltsvergütung nicht vollständig erstattet wurde.
AG Mosbach, Beschl. v. 15.3.2011 – 146/10 BHG
1 Sachverhalt
Der Anwalt war für seinen Mandanten in einem Widerspruchsverfahren tätig. Hierfür war dem Mandanten Beratungshilfe bewilligt. Der Widerspruch war teilweise erfolgreich, so dass der Anwalt ein Viertel seiner Wahlanwaltsvergütung (Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer) erstattet erhielt. Hiernach reichte er die Berechnung seiner Beratungshilfevergütung in Höhe einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer beim AG ein. Er vertrat dabei die Auffassung, die von der Behörde geleisteten Erstattungszahlungen seien zunächst auf die nicht gedeckte Wahlanwaltsvergütung zu verrechnen und erst hiernach auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung. Da der von der Gegenseite geleistete Erstattungsbetrag geringer sei als die Differenz zwischen den Wahlanwalts- und den Pflichtgebühren, komme hier eine Anrechnung nicht in Betracht. Das AG hat die Festsetzung abgelehnt. Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Bezüglich der Frage, inwieweit Zahlungen des Gegners an den Rechtsanwalt in einem Beratungshilfemandat auf die aus der Staatskasse zu zahlende Beratungshilfevergütung angerechnet werden muss, werden zwei Auffassungen vertreten.
So vertritt das LG Saarbrücken (Beschl. v. 8.4.2009 – 5 T 172/09 [= AGS 2009, 290]) die Auffassung, dass die Zahlungen des Anspruchsgegners auf die Anwaltsvergütung erst dann gem. § 58 Abs. 1 RVG auf die aus der Landeskasse zu zahlende Rechtsanwaltsvergütung angerechnet würden, wenn der dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit gesetzlich zustehende Vergütungsanspruch voll befriedigt sei. Zur Begründung führt das LG Saarbrücken aus, dass § 58 Abs. 1 RVG restriktiv dahingehend auszulegen sei, dass nur die Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 BerHG erhalten habe, auf die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung angerechnet werde, die den gesetzlichen Vergütungsanspruch des Rechtsanwalt übersteige. Dagegen würde die Staatskasse dann nicht von ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Wahlanwalt des Beratungsantragstellers befreit, wenn der Rechtsanwalt durch die Kostenzahlung des Anspruchsgegners noch nicht voll befriedigt sei. Diese Handhabung der Anrechnung ergäbe sich zweifelsfrei aus § 58 Abs. 2 RVG. Hiernach seien Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten habe, zunächst auf Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht bestehe. Dementsprechend seien Zahlungen eines Dritten auf die Rechtsanwaltsgebühr nur dann und erst dann auf die Verpflichtung der Staatskasse anzurechnen, wenn die dem Rechtsanwalt entstandene Gebührenforderung vollständig getilgt sei. Auch die Gesetzessystematik, nämlich § 59 Abs. 3 RVG, der die Anwendung des § 59 Abs. 1 RVG auch für die Beratungshilfe vorsehe, ergäbe, dass der mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf die Staatskasse von Gesetzes wegen übergegangene Erstattungsanspruch nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden dürfe. Diese Regelung könne nur so verstanden werden, dass der Rechtsanwalt einen gesetzlich garantierten Befriedigungsvorrang vor der Staatskasse habe. Erst dann, wenn er von dem Erstattungspflichtigen die ihm zustehenden Gebühren und Auslagen in voller Höhe vergütet erhalten habe, gehe ein evtl. darüber hinaus gegen die Partei oder gegen einen ersatzpflichtigen Gegner bestehender Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts auf die Staatskasse über. Dieser Befriedigungsvorrang des Rechtsanwaltes müsse sinnvoller Weise auch bei der Anrechnung der Zahlungen gelten, die ein ersatzpflichtiger Gegner auf die Vergütungsforderung des Rechtsanwalts leistet. Eine Anrechnung dieser Zahlungen habe nur und erst dann zu erfolgen, wenn der Rechtsanwalt wegen der ihm gesetzlich zustehenden Gebühren und Auslagen vollständig befriedigt sei.
Die entgegengesetzte Auffassung wird vom OLG Bamberg (Beschl. v. 16.1.2009 – 4 W 141/08) vertreten. Das OLG Bamberg vertritt die Auffassung, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 58 Abs. 1 RVG Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 BerHG erhalten habe, auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen seien. Gemeint seien damit grundsätzlich alle Zahlungen nach § 9 BerHG, auch wenn sie nicht den vollen Vergütungsanspruch eines Wahlanwalts erreichten. Eine davon abweichende Auffassung ist nach dem Zweck der §§ 58 Abs. 1 RVG, 9 BerHG nicht gerechtfertigt. § 9 BerHG will eine Begünstigung des Gegners durch die Mittellosigkeit des Rechtssuchenden verhindern. Die Bestimmung begründe aber keinen Anspruch des Rechtsanwalts darauf, die Vergütung eines Wahlanwaltes in voller Höhe zu erhalten, sei es vom Gegner oder aus der Landeska...