Die meisten Fragen zum materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch auf Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr sind zwischenzeitlich geklärt. Erhebliche Schwierigkeiten bestehen in der Praxis aber dann, wenn der Mandant vorgerichtlich Beratungshilfe in Anspruch genommen hat oder die Voraussetzungen für Beratungshilfe vorgelegen hatten.
War dem Mandanten für die vorgerichtliche Tätigkeit, insbesondere für das Anmahnen der später eingeklagten Forderung, Beratungshilfe bewilligt worden, so wird häufig dennoch unreflektiert die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV als Schadensersatz im Wege der Nebenforderung mit eingeklagt. Die Anwälte sind dann immer wieder überrascht und echauffiert, wenn die Klage insoweit zu Recht abgewiesen wird.
War der Anwalt vorgerichtlich im Rahmen der Beratungshilfe tätig, dann erhält er seine Vergütung, abgesehen von den 10,00 EUR, die er nach Nr. 2500 VV vom Mandanten verlangen kann, aus der Landeskasse. Vom Mandanten kann er daneben keine Vergütung beanspruchen (Vorbem. 2.5 VV). Damit aber wiederum fehlt es an einem Schaden des Mandanten. Muss der Mandant die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV nicht an den Anwalt zahlen und zahlt er sie auch nicht, dann kann diese nicht gezahlte Gebühr wohl kaum im Wege des Schadenersatzes geltend gemacht werden. Es fehlt in diesen Fällen bereits an einem Schaden des Mandanten, sodass die Klage insoweit unschlüssig ist.
Allenfalls könnte dem Mandanten ein Schadenersatzanspruch in Höhe der gezahlten 10,00 EUR zustehen, die er nach Nr. 2500 VV dem Anwalt schuldet. Da diese Gebühr aber nicht eingefordert werden muss, sondern auch erlassen werden kann (Anm. S. 2 zu Nr. 2500 VV), gehört also insoweit zum schlüssigen Klagevortrag, dass die 10,00 EUR an den Anwalt tatsächlich auch gezahlt worden sind. Das wird in der Regel aber nie vorgetragen.
Wird die Klage abgewiesen, echauffieren sich die Anwälte, weil sie das Ergebnis als ungerecht empfinden, was auch zutreffend wäre, wenn keine Möglichkeit bestünde, die Wahlanwaltsgebühren bei dem Gegner geltend zu machen.
Diese Möglichkeit besteht aber, ist jedoch vielen Anwälten unbekannt. Nach § 9 S.1 BerHG ist der Dritte verpflichtet, die Wahlanwaltsvergütung zu ersetzen. Dieser Anspruch steht - ähnlich wie nach § 126 ZPO – dem Anwalt unmittelbar gegen den Gegner zu (§ 9 S. 2 BerHG). § 9 BerHG regelt insoweit einen Fall der Drittschadensliquidation, da hier Anspruch und Schaden auseinanderfallen. Der Anwalt kann also aus eigenem Recht Ersatz der Geschäftsgebühr verlangen. Das muss er dann aber auch tun oder zumindest vorher seinen Erstattungsanspruch an den Mandanten abtreten. Von dieser Möglichkeit wird erstaunlicherweise in der Praxis – offenbar aus Unkenntnis – kaum Gebrauch gemacht.
War der Anwalt als Wahlanwalt außergerichtlich tätig, hätte dem Mandanten aber Beratungshilfe bewilligt werden können oder müssen, dann verhält es sich anders. Jetzt schuldet der Mandant tatsächlich die Wahlanwaltsgeschäftsgebühren, sodass ihm auch ein entsprechender Erstattungsanspruch zusteht.
Viele Gerichte sind allerdings der Auffassung, ein solcher Anspruch könne nicht durchgesetzt werden. Wenn ein Anspruch auf Beratungshilfe bestanden hätte, dann hätte der Anwalt gar nicht die Wahlanwaltsgebühren vom Mandanten verlangen dürfen. Folglich könne der Mandant dann diese tatsächlich gar nicht geschuldeten Gebühren auch nicht ersetzt verlangen (so z. B. OLG Celle AGS 2009, 469 = zfs 2009, 587 = OLGR 2009, 883 = NJW-RR 2010, 133 = BRAK-Mitt 2010, 128; AG Bersenbrück, Urt. v. 8.3.2011 - 11 C 867/10). Dabei wird völlig verkannt, dass dem Anwalt zunächst einmal ein Vergütungsanspruch zusteht und dieser nur untergehen kann, wenn er einem entsprechenden Schadenersatzanspruch des Mandanten ausgesetzt ist. Kann der Mandant aber Ersatz von einem Dritten verlangen, dann entsteht dem Mandanten gar kein Schaden dadurch, dass keine Beratungshilfe in Anspruch genommen worden ist, sodass der Gebührenanspruch des Anwalts davon unberührt bleibt. Dies hat zwischenzeitlich der BGH klargestellt (Urt. v. 24.2.2011 - VII ZR 169/10 - zur Veröffentlichung vorgesehen in AGS Heft 6). Das bedeutet: Mit dem Einwand, der Kläger hätte vorgerichtlich Beratungshilfe in Anspruch nehmen können oder müssen, wird der Erstattungsschuldner nicht gehört. Dies ist im Ergebnis auch richtig. Selbst wenn Beratungshilfe hätte bewilligt werden müssen, wäre der Gegner erstattungspflichtig, da dann nach § 9 S. 1 BerHG die Ersatzansprüche auf den Anwalt übergegangen wären.
Fazit: Ist vorgerichtlich keine Beratungshilfe in Anspruch genommen worden, dann kann die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV in vollem Umfang eingeklagt werden. Ist dagegen Beratungshilfe vorgerichtlich in Anspruch genommen worden, dann kann bei entsprechender Zahlung dem Mandanten lediglich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 10,00 EUR (Nr. 2500 VV) zustehen, der dann auch eingeklagt werden kann. Der darüber hinausgehende Betrag steht dem Anwalt nach § 9 S. 1 BerHG zu und muss ...