BGB § 628;RVG VV Nr. 3100, 3104

Leitsatz

  1. Gibt ein Anwalt Anlass zur Kündigung des Mandats, dann kann er seine Vergütung insoweit nicht verlangen, als die zugrunde liegende Tätigkeit für den Mandanten kein Interesse mehr hat.
  2. Ein Interessenwegfall liegt insoweit vor, als der frühere Mandant bei einem neuen Anwalt die bereits beim ersten Anwalt entstandenen Gebühren erneut bezahlen muss.
  3. Ein Interessenwegfall liegt nicht schon dann vor, wenn bestimmte Gebühren voraussichtlich bei dem neuen Anwalt erneut anfallen werden, aber noch nicht angefallen sind (hier: Terminsgebühr).

LG Baden-Baden, Urt. v. 26.11.2010 – 1015/09

1 Sachverhalt

Der beklagte Anwalt war von der Klägerin mit der Durchführung deren Scheidungsverfahrens beauftragt. Der Beklagte hatte den Scheidungsantrag eingereicht und an einem ersten Verhandlungstermin teilgenommen. Hiernach kündigte die Klägerin wegen vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten das Mandat und beauftragte einen neuen Anwalt. Die an den ersten Anwalt bereits gezahlte Vergütung in Höhe einer Verfahrensgebühr sowie einer Terminsgebühr verlangte die Klägerin anschließend zurück, da insoweit das Interesse an der Tätigkeit des früheren Anwalts entfallen sei. Sie habe nämlich die Verfahrensgebühr bereits an den neuen Anwalt (Rechtsanwalt T) zahlen müssen. Die Terminsgebühr werde demnächst anfallen.

Das Gericht hat den Beklagten zur Rückzahlung der Verfahrensgebühr nebst Postpauschale und Auslagen verurteilt. Hinsichtlich der Terminsgebühr hat das Gericht die Klage abgewiesen.

2 Aus den Gründen

Bezüglich der Terminsgebühr hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass seit Beauftragung von Rechtsanwalt T. noch kein Termin stattgefunden habe. Insoweit ist bislang kein Interessenwegfall eingetreten. Es ist derzeit noch offen, ob und gegebenenfalls wann eine erneute mündliche Verhandlung stattfinden wird. Wie der Beklagtenvertreter zu Recht anmerkt, sind auch Verfahrensbeendigungen ohne mündliche Verhandlungen denkbar. Erst bei einer weiteren mündlichen Verhandlung müsse die Klägerin jedoch die Terminsgebühr erneut zahlen, erst dadurch würde das Interesse der Klägerin an der von dem Beklagten geleisteten Terminsvertretung wegfallen. Der von dem Vertreter der Klägerin angeführte § 287 ZPO hilft nicht weiter: Es geht nicht um die Bemessung eines angefallenen Schadens, sondern um die Frage, ob ein solcher Schaden bzw. Interessenwegfall künftig überhaupt eintreten wird. Die Klage ist deswegen auch nicht als "derzeit unbegründet" abzuweisen; es fehlt nicht lediglich an der Fälligkeit eines Anspruchs, es ist vielmehr noch offen, ob der Klägerin insoweit ein Anspruch zustehen wird. Dass diese Entscheidung, welche auf die stark verzögerte gerichtliche Bearbeitung des Scheidungsverfahrens vor dem AG zurück geht – für die Klägerin eine gewisse Härte darstellt, wird nicht verkannt. Für eine Überbürdung dieser Härte auf den Beklagten ist jedoch keine Rechtfertigung ersichtlich. Derzeit kann die Klägerin die Terminsgebühr somit noch nicht verlangen.

3 Anmerkung

Die Entscheidung ist zutreffend.

Dass auch hinsichtlich der Terminsgebühr ein Interessenwegfall eintreten wird, steht nicht fest. So besteht die Möglichkeit, dass der Scheidungsantrag zurückgenommen wird, die Eheleute sich versöhnen oder – angesichts der offenbar langen Zeitdauer des Verfahrens – einer der Ehegatten verstirbt und sich damit das Verfahren ohne mündliche Verhandlung erledigt.

Die Klägerin hätte hier ihr Begehren hinsichtlich der Terminsgebühr mit einem Feststellungsantrag verfolgen müssen. Dass sie ihre Klage auf Hinweis des Gerichts insoweit nicht geändert hat, ist nicht nachzuvollziehen.

Norbert Schneider

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