ZPO § 254;RVG § 21 Abs. 1
Leitsatz
Eine Zurückverweisung im gebührenrechtlichen Sinn, die einen neuen Rechtszug begründet, liegt nicht vor, wenn das Rechtsmittelgericht das eine Stufenklage insgesamt abweisende Urteil der untergeordneten Instanz(en) aufhebt, selbst zur Auskunftserteilung verurteilt und die Sache dann zur weitergehenden Entscheidung über die Leistungsstufe an das untergeordnete Gericht zurückverweist.
OLG München, Beschl. v. 4.2.2011 – 11 W 160/11
1 Sachverhalt
Die Parteien hatten im vorliegenden Rechtsstreit über Ansprüche aus einem inzwischen beendeten Franchiseverhältnis gestritten. Der Kläger ist dabei u.a. im Wege der Stufenklage vorgegangen und hatte Auskunft über vereinnahmte Differenzrabatte verlangt sowie nach Auskunftserteilung noch zu beziffernde Zahlungsansprüche. Das LG hat die Stufenklage bereits in der Auskunftsstufe abgewiesen, weil nach seiner Auffassung insoweit keine Ansprüche bestanden. Das OLG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren insoweit bestätigt. Der BGH hat auf die zugelassene Revision des Klägers das Berufungsurteil teilweise abgeändert und den Beklagten zur weitergehenden Auskunftserteilung verurteilt. Im Übrigen hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das OLG hat daraufhin im schriftlichen Verfahren die Sache zur weitergehenden Entscheidung über die Leistungsstufe an das LG zurückverwiesen. Dieses hat die Beklagte dann zur Zahlung verurteilt, die Verpflichtung zum Ersatz weiteren Schadens festgestellt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens auferlegt.
Mit dem nunmehr angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin für die Verfahren beim OLG und beim LG nach der Zurückverweisung durch den BGH jeweils eine 1,2-Terminsgebühr nebst Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 EUR berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die angemeldeten Kosten für das Verfahren beim OLG und beim LG in der Leistungsstufe seien nicht festsetzbar. Es handle sich bei der Auskunfts- und der Leistungsstufe bei einer Stufenklage um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Der Übergang von der positiv beschiedenen Auskunftsstufe in die Leistungsstufe stelle keine Zurückverweisung i.S.v. § 21 RVG dar.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die von der Rechtspflegerin festgesetzten Terminsgebühren nach der Zurückverweisung des Verfahrens durch den BGH und das OLG sind nicht angefallen und damit auch nicht von der Beklagten zu erstatten.
1. Es trifft zwar zu, dass im Falle der Zurückverweisung einer Sache an ein untergeordnetes Gericht das weitere Verfahren vor diesem Gericht gem. § 21 Abs. 1 RVG ein neuer Rechtszug ist. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass der Rechtsanwalt die Gebühren erneut fordern kann (§ 15 Abs. 2 S. 2 RVG), wobei die beim untergeordneten Gericht bereits entstandene Verfahrensgebühr gem. der Vorbem. 3 Abs. 6 VV auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen ist.
2. Richtig ist auch, dass ein Rechtsmittelgericht eine Sache in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO an das untergeordnete Gericht zurückverweisen kann, wenn das erstinstanzliche Gericht – wie im vorliegenden Fall – eine Stufenklage (§ 254 ZPO) vollständig abgewiesen hat, das Berufungs- oder Revisionsgericht dem Rechnungslegungs- oder Auskunftsanspruch hingegen bei insoweit gegebener Entscheidungsreife stattgibt (BGH NJW 2006, 2626; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 538 Rn 48; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 538 Rn 20). Die prozessuale Lage bei Zuerkennung des Anspruchs, nachdem das LG die Klage insgesamt abgewiesen hatte, ist nämlich mit jener vergleichbar, die sich ergibt, wenn das Berufungsgericht der vom LG abgewiesenen Klage dem Grunde nach stattgibt und nunmehr über den Betrag zu entscheiden ist (BGH NJW 1985, 862).
3. Der prozessuale Begriff der Zurückverweisung i.S.d. §§ 538, 563 ZPO ist jedoch nicht identisch mit dem der gebührenrechtlichen Zurückverweisung i.S.v. § 21 Abs. 1 RVG (AnwK-RVG/N. Schneider, 5. Aufl., § 21 Rn 12). Entscheidend für eine Zurückverweisung im gebührenrechtlichen Sinne ist, dass sich aus dem Urteil der höheren Instanz die Notwendigkeit einer weiteren Verhandlung vor dem untergeordneten Gericht ergibt mit der Folge, dass der Rechtsanwalt nunmehr das Ergebnis der Erörterungen des zweiten (oder hier des dritten) Rechtszuges in seine Überlegungen einbeziehen und sein weiteres Vorgehen auf die dort getroffene Entscheidung aufbauen muss (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., § 21 Rn 4).
a) Danach liegt keine Zurückweisung im gebührenrechtlichen Sinn vor, wenn das Berufungs- oder Revisionsgericht bei einer Stufenklage das den Auskunftsanspruch bejahende Ersturteil bestätigt. In diesem Fall bedarf es nämlich schon keiner Zurückverweisung im prozessualen Sinn, da diese wie bei einer ein Grundurteil bestätigenden Entscheidun...