GKG § 48 Abs. 1;ZPO §§ 3, 9, 259
Leitsatz
- Im Gegensatz zu einer Klage auf künftige Mietzahlungen, für die überwiegend § 9 ZPO angewandt wird, bestimmt sich der Streitwert einer Klage auf Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung gem. § 259 ZPO nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
- Umsatzsteuer ist Bestandteil der Miete und daher beim Jahresnutzungswert mitzuberechnen.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 158/10
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte den Beklagten auf Räumung eines Mietobjekts (Antrag Nr. 1), zur Zahlung der Miete zuzüglich Umsatzsteuer und Nebenkostenvorauszahlungen für Mai 2010 i.H.v. 1.351,00 EUR (Antrag Nr. 2), zur Zahlung von monatlich 1.351,00 EUR ab Juni 2010 (Antrag Nr. 3) und zur Zahlung von 1.890,20 EUR für vorgerichtliche Anwaltskosten (Antrag Nr. 4) verklagt. Über die Miete für Mai 2010 erging am 20.7.2010 ein Teilanerkenntnisurteil. Über den Räumungsanspruch erging am 27.7.2010 ein weiteres Teilanerkenntnisurteil. Durch streitiges Urteil hat das LG den Beklagten darüber hinaus u.a. verurteilt, an den Kläger ab August 2010 eine monatliche Nutzungsentschädigung i.H.v. 1.351,00 EUR längstens bis zur vollständigen Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Ladenlokals zu zahlen. Im Berufungsverfahren hat das OLG gem. § 63 Abs. 3 S. 1 GKG von Amts wegen neu festgesetzt.
2 Aus den Gründen
1. Der Gebührenstreitwert für die I. Instanz ergibt sich – bis zum 27.7.2010 – aus der Addition des Gebührenstreitwerts für den Räumungsanspruch gem. Nr. 1 (a), des Gebührenstreitwerts für den Mietzinszahlungsanspruch gem. Nr. 2 (b) sowie demjenigen für die Nutzungsentschädigung gem. Nr. 3 (c). Die gem. Nr. 4 geltend gemachten vorprozessualen Kosten zur Durchsetzung des Anspruchs bleiben bei der Streitwertfestsetzung als Nebenforderungen – ebenso wie die geltend gemachten Zinsen (§ 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO) – unberücksichtigt (BGH NJW 2007, 3289 [= AGS 2007, 231]; Zöller, 28. Aufl., § 4 Rn 13 m. w. Nachw.). Die durch das Teilanerkenntnisurteil v. 20.7.2010 und 27.7.2010 bezüglich dem Klageantrag gem. Nr. 1 und Nr. 2 eingetretene Erledigung führt ab 28.7.2010 zu einer entsprechenden Reduzierung des Gebührenstreitwerts.
a) Der Gebührenstreitwert für den Räumungsanspruch beträgt gem. § 41 Abs. 1 GKG 15.708,00 EUR (= 1.100,00 EUR Nettomietzins + 209,00 EUR MwSt. hieraus x 12).
Die Mehrwertsteuer gehört zum Nettogrundentgelt i.S.v. § 41 GKG (BGH v. 26.2.1997 – XII ZR 233/96, NJW-RR 1997, 648; OLG Düsseldorf v. 27.12.2005 – I-24 W 62/05, MDR 2006, 1079 [= AGS 2006, 354]; Zöller, a.a.O., § 3 Rn 16, dort unter "Mietstreitigkeiten" m. w. Nachw. zur Rspr.).
b) Der Gebührenstreitwert für den Mietzinsanspruch gem. Nr. 2 beträgt gem. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO 1.351,00 EUR (= 1.100,00 EUR Nettomietzins + 209,00 EUR MwSt. hieraus + 42,00 EUR Nebenkostenvorauszahlung).
c) Der Gebührenstreitwert für den Nutzungsentschädigungsanspruch gem. Nr. 3 beträgt gem. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO 16.212,00 EUR (= 1.100,00 EUR Nettomietzins + 209,00 EUR MwSt. hieraus + 42,00 EUR Nebenkostenvorauszahlung x 12).
aa) § 41 Abs. 1 GKG findet bei Streitigkeiten über Zahlungsverpflichtungen aus einem Mietvertrag grundsätzlich keine Anwendung, auch wenn die Parteien letztlich über den Fortbestand des zugrunde liegenden Mietverhältnisses streiten, denn der für die Wertfestsetzung maßgebliche Streitgegenstand ist nicht durch den Streit über Bestehen oder Dauer des Mietverhältnisses bestimmt, sondern durch einen Einzelanspruch aus dem Mietverhältnis, nämlich die künftige Geldforderung des Vermieters (BGH NJW-RR 2005, 938; bereits BGH JurBüro 1966, 309).
bb) Die Frage, ob der Gebührenstreitwert einer auf Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung bis zur Räumung gerichteten Klage nach § 9 ZPO oder § 3 ZPO zu bestimmen ist, ist umstritten.
Mit der ganz h.M. geht der Senat davon aus, dass die Bestimmung des Streitwerts – anders als für künftige Miete, für die überwiegend § 9 ZPO angewandt wird – gem. § 3 ZPO zu erfolgen hat (KG v. 20.12.2006 – 12 W 66/06, MDR 2007, 645 = NJW-RR 2007, 1579; OLG Frankfurt v. 5.2.2004 – 2 W 3/04, OLGR 2004, 201; KG v. 22.5.2000 – 20 W 3878/00, KGR 2000, 234; OLG Bamberg JurBüro 1981, 1047; OLG Frankfurt v. 14.3.1980 – 22 W 1/80, MDR 1980, 761; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rn 3713; Meyer, Kommentar zum GKG und FamGKG, 11. Aufl. 2009, § 3 Rn 22 "Nutzungsentschädigung"; Hartmann, KostG, 40. Aufl. 2010, GKG Anh. I § 48 (§ 3 ZPO); Henssler, Die Klage auf künftige Leistung im Wohnraummietrecht in: NJW 1989, 138 (142); a.A. OLG Hamm FamRZ 2008, 1208; LG Berlin ZMR 2003, 264; Zöller, a.a.O., § 3 Rn 16, dort unter "Mietstreitigkeiten", dort unter "Klage auf künftige Leistung").
Entgegen der vom OLG Hamm und dem LG Berlin vertretenen Ansicht (a.a.O.) ist § 9 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden nicht anzuwenden. Es ist zwar zutreffend, dass es sich bei der vom Mieter bis zur Räumung zu zahlenden Nutzungsentschädigung um eine wiederkehrende Leistung von ungewisser Dauer handelt, doch reicht dies allein für eine Anwendung von § 9 ZPO nicht aus. Zu be...