RVG VV Nrn. 3100, 3101 Nr. 1
Leitsatz
Wird ein Verfahren abgetrennt und dort die Klage zurückgenommen, bevor der Vertreter des Beklagten nach Abtrennung einen Antrag stellt, entsteht im abgetrennten Verfahren nur eine ermäßigte 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV.
VG Magdeburg, Beschl. v. 27.10.2010 – 9 A 60/10
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten.
Die Klägerin hatte am 29.9.2009 Klage erhoben mit den Anträgen, den Bescheid des Beklagten v. 20.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides 26.8.2009 und den Bescheid des Beklagten v. 19.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 31.8.2009 aufzuheben (Az. 9 A 277/09 MD). Der Streitwert wurde nach § 63 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG vorläufig auf 55.052,33 EUR festgesetzt. Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten wurde mit Beschluss der Berichterstatterin v. 13.9.2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz v. 4.2.2010 nahm der Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Verfahren wieder auf und stellte einen Klageabweisungsantrag. Soweit die Klägerin die Aufhebung des Bescheides des Beklagten v. 19.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 31.8.2009 begehrte, trennte die Kammer unter Vergabe des Az. 9 A 60/10 MD das Verfahren ab. Hinsichtlich des übrigen Anspruchs wurde das Verfahren unter dem Az. 9 A 277/09 MD fortgeführt. Am 25.3.2010 hat die Klägerin die unter dem Az. 9 A 60/10 MD geführte Klage zurückgenommen. Die Berichterstatterin stellte daraufhin mit Beschl. v. 7.4.2010 das Verfahren ein, legte der Klägerin die Kosten auf und setzte den Streitwert auf 26.626,84 EUR fest. Das Verfahren 9 A 277/09 MD hat ebenfalls durch Klagerücknahme seine Erledigung gefunden. Der Streitwert im Verfahren 9 A 277/09 MD wurde auf 28.425,49 EUR festgesetzt.
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat mit Schriftsatz v. 5.5.2010 die außergerichtlichen Kosten zur Festsetzung angemeldet und zwar dergestalt, dass er nach dem Gegenstandswert von 26.626,84 EUR eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV sowie die Post- und Kommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV nebst Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV abgerechnet hat. Dem Kostenfestsetzungsantrag hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit dem der Klägerin am 20.9.2010 zugestellten Beschl. v. 15.9.2010 in vollem Umfang entsprochen.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, soweit dem Beklagten zu erstattende Kosten von mehr als 745,42 EUR festgesetzt wurden. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass nur eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV und nicht eine solche von 1,3 nach Nr. 3100 VV in den Ansatz zu bringen sei, da das Verfahren durch Klagerücknahme beendet worden wäre, ohne dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine der unter Nr. 3101 Nr. 1 VV bezeichneten Handlungen vorgenommen habe.
Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Der für die Entstehung der 1,3-Verfahrensgebühr entscheidende Schriftsatz des Beklagtenvertreters sei der Schriftsatz v. 4.2.2010, mit dem beantragt worden sei, die Klage abzuweisen.
2 Aus den Gründen
Über das Begehren der Klägerin hat gem. § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO die Berichterstatterin zu entscheiden, denn die Entscheidung über die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren ist eine solche über Kosten im Verständnis von § 87a Abs. 1 Nr. 5 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 87a Rn 7, m.w.N.). Die Entscheidung ergeht (noch) im vorbereitenden Verfahren.
Der nach §§ 165, 151 S. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg. Denn der Beklagte schuldet seinem Prozessbevollmächtigten keine 1,3-, sondern nur eine 0,8-Verfahrensgebühr in dem abgetrennten Verfahren mit dem Az. 9 A 60/10 MD und kann dementsprechend auch nur insoweit Erstattung verlangen.
Die Verfahrensgebühr ist zwar als solche im abgetrennten Verfahren entstanden. Denn ein Rechtsanwalt ist im Falle der Verfahrenstrennung grundsätzlich berechtigt, zu wählen, ob er einheitlich die Gebühren nach dem Gesamtstreitwert oder gesondert aus den getrennten Verfahren mit den jeweiligen Einzelstreitwerten geltend macht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.5.2009 – 24 W 28/09). Die Trennung bewirkt das Entstehen neuer, gesondert zu entscheidender Verfahren. Dabei bleiben die vor der Prozesstrennung entstandenen Gebühren bestehen und sie entstehen danach, und zwar nur aus den Werten der getrennten Verfahren, noch einmal (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Sodann hat der Rechtsanwalt das Wahlrecht, ob er die Gebühren aus dem Verfahren vor der Trennung oder aus den zwei Verfahren danach verlangt. Nebeneinander kann er sie wegen § 15 Abs. 2 RVG nicht geltend machen. Hier hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht, indem er die Gebühren in den Verfahren 9 A 60/10 MD und 9 A 277/09 MD gesondert geltend macht. Die Verfahrensgebühr als solche ist auch entstanden, denn der Prozessbevollmäc...