RVG § 17 Nr. 11; StPO § 464a Abs. 2; OWiG § 108
Leitsatz
- Im Bußgeldverfahren ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erhöht sind. Es müssen konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion der standardisierten Messeinrichtung vorgebracht werden, um eine weitergehende Aufklärungspflicht des Gerichts zu begründen.
- Dies führt ausnahmsweise dazu, dass die Beauftragung eines Privatsachverständigen bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheides für den Betroffenen notwendig erscheinen darf. Zudem ist die Erstattungsfähigkeit der Gutachtenskosten unabhängig davon, ob sich das Gutachten sodann in der Folge tatsächlich auf das Verfahren ausgewirkt hat.
- Für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das Zwischenverfahren vor der Staatsanwaltschaft entsteht die Postentgeltpauschale nur einmal.
LG Wuppertal, Beschl. v. 6.11.2018 – 26 Qs 210/18
1 Sachverhalt
Mit Bußgeldbescheid setzte die Stadt Wuppertal gegen den Betroffenen wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes eine Geldbuße über 200,00 EUR sowie die Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister fest. Darüber hinaus verhängte die Stadt Wuppertal gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat. Hiergegen legte der Betroffene durch seinen Verteidiger Einspruch ein.
Im Zwischenverfahren beantragte der Verteidiger Einsicht in die Bußgeldakte inklusive der gesamten Messreihe. Letzteres verweigerte ihm die Stadt Wuppertal, woraufhin der Betroffene durch seinen Verteidiger einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte. Durch Beschluss gab das AG der Stadt auf, dem Verteidiger die angeforderte Messreihe zur Verfügung zu stellen.
In der Folge stellte die Stadt Wuppertal das Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO ein und legte die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Stadtkasse auf.
Daraufhin hat der Betroffene die Gebühren und Auslagen seines Verteidigers i.H.v. 2.263,85 EUR brutto geltend gemacht. Die Kostenaufstellung lautete wie folgt:
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
|
160,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV |
|
160,00 EUR |
Zusätzliche Gebühr, Nr. 5151 VV |
|
160,00 EUR |
32 Fotokopien |
|
11,10 EUR |
1 Datenträger |
|
5,00 EUR |
Auslagenpauschale, außergerichtlich und gerichtlich |
|
40,00 EUR |
19 % Mehrwertsteuer |
|
120,86 EUR |
Zwischensumme |
756,96 EUR |
|
Kosten für Sachverständigengutachten gem. beiliegender Rechnungen |
|
1.506,89 EUR |
Gesamtsumme |
|
2.263,85 EUR |
Die Stadt Wuppertal hat die zu erstattenden notwendigen Auslagen des Betroffenen auf 542,76 EUR festgesetzt und i.Ü. den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Hierbei hat die Stadt Wuppertal die geltend gemachte Zusätzliche Gebühr als nicht erstattungsfähig angesehen. Zudem sei die Auslagenpauschale nur einmalig ansetzbar und die Kosten für die Tätigkeit eines Privatsachverständigen nicht erstattungsfähig, da dieser zum Ausgang des Verfahrens nichts beigetragen habe.
Hiergegen hat der Betroffene Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich der Betroffene mit seiner sofortigen Beschwerde.
2 Aus den Gründen
Die zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet.
1. Die gem. § 108 Abs. 1 OWiG statthafte sofortige Beschwerde ist auch i.Ü. form- und fristgerecht eingelegt worden.
2. Die sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet und führt zur Festsetzung der dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 2.044,77 EUR.
a) Die Kosten für die Erstellung der Gutachten sind i.H.v. 1.502,01 EUR erstattungsfähig.
Im vorliegenden Einzelfall waren die Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen bei der anzulegenden ex-ante-Betrachtung als notwendig i.S.v. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 464a Abs. 2 StPO zu qualifizieren. Trotz des im Bußgeldverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes wird eine solche Notwendigkeit von privaten Ermittlungen insbesondere bei schwierigen technischen Fragestellungen bejaht (vgl. nur Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., 2013, § 464a Rn 7). Darüber hinaus ist im Bußgeldverfahren zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erhöht sind. Hier müssen von Seiten der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion der standardisierten Messeinrichtung vorgebracht werden, um eine weitergehende Aufklärungspflicht des Gerichts vor dem Hintergrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zu begründen.
Vorstehendes führt im vorliegenden Fall ausnahmsweise dazu, dass die Beauftragung eines Privatsachverständigen bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheides für den Betroffenen notwendig erscheinen durfte. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der Verteidiger mangels eigener technischer Sachkunde bezogen auf den Aufbau, die Ausrichtung als auch die Handhabung der verfahrensgegenständlichen Rotlichtüberwachungsanlage a...