RVG § 51 Abs. 2 S. 1; BGB § 204
Leitsatz
- Die Verjährung eines Antrags auf Festsetzung einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) wird durch den Eingang des Antrags bei einem unzuständigen Gericht nicht gehemmt.
- Die Hemmung tritt allein durch die Antragstellung bei dem gem. § 51 Abs. 2 S. 1 RVG zur Entscheidung berufenen Oberlandesgerichts ein.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.4.2019 – 1 ARs 5/19
1 Sachverhalt
Der antragstellende Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Angeklagten M. Dieser wurde vom LG Göttingen am 4.6.2015 wegen Betruges in 63 Fällen mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, belegt. Die dagegen gerichtete Revision wurde vom BGH am 15.10.2015 verworfen. Seither ist das Urteil rechtskräftig.
Der Pflichtverteidiger hat mit Schriftsatz v. 28.12.2018, der am selben Tag beim LG Göttingen eingegangen ist, die Bewilligung einer Pauschgebühr i.H.v. 4.000,00 EUR beantragt. Der Antrag ist vom LG, das die Sache weder als besonders umfangreich noch als besonders schwierig eingeordnet hat, durch Verfügung v. 4.2.2019 mit Akten an die Bezirksrevisorin beim LG Braunschweig zur Vorlage an den Senat weitergeleitet worden. Die Bezirksrevisorin hat den Antrag sodann dem Senat zugeleitet, bei dem er am 11.2.2019 eingegangen ist. Zugleich hat sie die Einrede der Verjährung erhoben. Sie beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller tritt dem Eintritt der Verjährung entgegen. § 51 Abs. 2 RVG sei keine Regelung, die die Zuständigkeit des OLG begründe. Aus ihr folge nur, dass das OLG über die Pauschgebühr zu entscheiden habe. Einschlägig sei § 11 Abs. 7 RVG und nicht § 204 BGB. Danach werde die Verjährung wie durch Klageerhebung gehemmt. Nach der Rspr. zu § 204 BGB hemme auch die Erhebung einer Klage beim unzuständigen Gericht die Verjährung. Ihm müsse zudem Vertrauensschutz gewährt werden. Der Senat habe u.a. in der Sache 1 ARs 9/16 über eine vergleichbare Konstellation entschieden und sei nicht zur Verjährung gelangt. Außerdem habe die Bezirksrevisorin in dem gleichgelagerten Verfahren 1 ARs 1/19, in dem er den Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr ebenfalls erst am 29.12.2018 beim LG eingereicht habe, die Einrede der Verjährung nicht erhoben.
2 Aus den Gründen
Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG liegen nicht vor. Der Antrag des Pflichtverteidigers ist abzulehnen. Die Bezirksrevisorin, die das Land Niedersachsen im gerichtlichen Verfahren vertritt, durfte die Zahlung wegen Verjährung verweigern (§ 214 BGB).
Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr verjährt gem. § 195 BGB in drei Jahren (KG, Beschl. v. 15.4.2015 – 1 Ars 22/14, NStZ-RR 2015, 296). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das setzt grds. – so auch bei der Pauschgebühr gem. § 51 RVG – die Fälligkeit der Forderung voraus (KG, a.a.O.). Die Fälligkeit tritt beim Pauschgebührenanspruch mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ein (OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.4.2016 – 1 ARs 9/16, juris Rn 11; KG, a.a.O., jeweils m.w.N.). Vorliegend endete die Verjährungsfrist mithin am 31.1.2018.
Der Antrag des Pflichtverteidigers ist jedoch erst nach diesem Datum, nämlich am 11.2.2019, und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist bei dem OLG Braunschweig eingegangen. Dass der Antrag schon am 28.12.2018 beim LG Göttingen angebracht wurde, hemmte die Verjährung nicht. Nach der Rspr. des Senats (Beschl. d. Einzelrichterin v. 24.10.2017 – 1 ARs 29/17, n. v.) wird die Verjährung nur durch den Eingang des Antrags bei dem gem. § 51 Abs. 2 S. 1 RVG für die Entscheidung zuständigen OLG gehemmt (so auch Burhoff, in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., § 51 Rn 91).
Es ist zwar regelmäßig sinnvoll, den Antrag unbeschadet der Entscheidungszuständigkeit des OLG über das erstinstanzliche Gericht anzubringen, da dieses dann – wie hier – über das Verfahren berichten und sowohl zum besonderen Umfang als auch zur besonderen Schwierigkeit des Verfahrens Stellung nehmen kann. Diese Vorgehensweise verbietet sich aber, wenn der Antrag so spät eingereicht wird, dass mit einem fristwahrenden Eingang beim OLG nicht mehr gerechnet werden kann. Hier war eine rechtzeitige Weiterleitung an das OLG im normalen Geschäftsgang nicht mehr möglich, weil der Antrag erst Freitag, den 28.12.2018, angebracht wurde, so dass sich bis zum Ablauf des Kalenderjahres nur noch das folgende Wochenende (29. und 30.12.) sowie der Silvestertag (31.12.) anschlossen.
Ein anderes Ergebnis folgt im Gegensatz zur Ansicht des Antragstellers nicht aus der Rspr. des BGH, wonach einzelne Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB unabhängig von der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts eingreifen. So ist es zwar anerkannt, dass bspw. die Erhebung einer Klage bei einem unzuständigen Gericht die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmt (BGH, Urt. v. 9.12.2010 – III ZR 56/10, Rn 13; BGH, Urt. v. 19.1.1994 – XII ZR 190/92, Rn 9). Diese Rspr....