RVG § 15 Abs. 5 S. 2; RVG VV Nrn. 3307, 3100, Anm. zu Nr. 3307
Leitsatz
Liegen zwischen Erhebung des Widerspruchs und Abgabe der Sache an das Gericht des streitigen Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre, unterbleibt eine Anrechnung der im Mahnverfahren entstanden Verfahrensgebühr.
AG Grünstadt, Beschl. v. 12.4.2019 – 3 C 4/18
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte im Februar 2013 den Erlass eines Mahnbescheids wegen einer anwaltlichen Vergütungsforderung aus dem Jahr 2012 erwirkt. Der Mahnbescheid wurde im Februar 2013 erlassen und dem Antragsgegner zugestellt. Dieser erhob Widerspruch. Hiernach wurde zunächst nichts Weiteres mehr veranlasst. Im Juni 2018 beauftragte der Beklagte seinen Anwalt, nunmehr den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen. Gleichzeitig erhob er die Einrede der Verjährung. Die Klägerin nahm daraufhin die Klage zurück, sodass ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden. Hiernach meldete der Kläger seine Anwaltskosten zur Festsetzung an, darunter eine 0,5-Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren und eine 1,3-Verfahrensgebühr für das streitige Verfahren. Das AG setzte die angemeldeten Gebühren fest; allerdings rechnete es die Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren auf die Verfahrensgebühr für das streitige Verfahren an. Hiergegen erhob der Kläger Erinnerung und machte geltend, dass zwischen Beendigung des Mahnverfahrens und Einleitung des streitigen Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre vergangen seien, weshalb eine Anrechnung nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nicht stattfinde. Auf die Erinnerung hin hat das AG dann auch die weitere 0,5-Gebühr festgesetzt.
2 Aus den Gründen
In dem Kostenfestsetzungsbeschluss wurde die Anrechnung der 0,5-Verfahrensgebühr Nr. 3307 VV auf die 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV vorgenommen, obwohl seit dem Abschluss des Mahnverfahrens mit Erhebung des Widerspruchs und der Einleitung des streitigen Verfahrens mehr als 2 Jahre vergangen sind und eine Anrechnung von Gebühren sodann gem. § 15 Abs. 5 S. 3, 2. Hs. RVG entfällt.
Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 5 RVG eine Situation beschrieben, in der der Anwalt in derselben Angelegenheit weiter tätig wird. Dafür soll er grds. nicht mehr an Gebühren verdienen, als er erhalten hätte, wenn er von vornherein mit dem weiteren Tätigwerden beauftragt worden wäre. Der Anwalt soll seine Gebühren aber noch einmal verlangen können, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG erledigt ist. Ob die weitere Tätigkeit einen neuen Auftrag erfordert, dürfte unmaßgeblich sein (BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – V ZB 152/16). Es kommt daher vorliegend nicht darauf an, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgrund des alten oder eines neuen Auftrages tätig geworden ist.
Vielmehr ist die Zwei-Jahres-Frist bereits abgelaufen und von einer Anrechnung der Gebühren war abzusehen.
3 Anmerkung
Nach der Anm. zu Nr. 3305 VV wird die durch den Bevollmächtigten des Antragstellers im Mahnverfahren verdiente 1,0-Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Rechtsstreits angerechnet. Das gilt nach Anm. zu Nr. 3307 VV auch für die Verfahrensgebühr des Vertreters des Antragsgegners im Mahnverfahren. Es handelt sich um echte und § 15a RVG unterfallende Anrechnungen von Gebühren.
Die Anrechnung ist aber nur vorzunehmen, wenn die gebührenrechtlichen Voraussetzungen für eine Anrechnung vorliegen:
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Sachlicher Zusammenhang zwischen außergerichtlicher und gerichtlicher Vertretung: Sind der Gegenstand der außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeit ganz oder teilweise identisch? |
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Personeller Zusammenhang zwischen außergerichtlicher und gerichtlicher Vertretung: Ist außergerichtlich und gerichtlich derselbe Rechtsanwalt tätig geworden? |
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Zeitlicher Zusammenhang zwischen außergerichtlicher und gerichtlicher Vertretung. |
Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er gem. § 15 Abs. 5 S. 1 RVG nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag aber seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, entfallen gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren.
§ 15 Abs. 5 S. 1, 2 RVG setzt dem Wortlaut nach voraus, dass der Anwalt in derselben Angelegenheit tätig ist. Das Mahnverfahren und das sich anschließende Prozessverfahren sind aber gem. § 17 Nr. 2 RVG verschiedene Angelegenheiten. Wenn aber schon in derselben Angelegenheit Gebührenanrechnungen entfallen, muss das erst recht gelten, wenn der Rechtsanwalt in zwei verschiedenen Angelegenheiten tätig ist, in denen wegen §§ 15 Abs. 2, 17 Nr. 2 RVG die Verfahrensgebühren gesondert anfallen. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist daher jedenfalls in diesen Fällen entsprechend anwendbar, weil sich der Rechtsanwalt auch hier wegen des Zeitablaufs in die neue Sache einarbeiten muss. Es wäre auch unbillig, wenn der Rechtsanwalt für seine weitere Tätigkeit nicht erneut Gebühren verdienen würde.
Das AG Grünstadt...