RVG §§ 32 Abs. 1 u. 2, 33 Abs. 1; GVG §§ 63 Abs. 3, 68 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
- Für die Bestimmung des Streitwertes für die Gerichtsgebühren ist der Zeitpunkt der Anhängigkeit und nicht der der Rechtshängigkeit maßgeblich.
- Da die Teilklagerücknahme keine Auswirkungen auf die Höhe der Gerichtsgebühren hat, ist sie bei der Festsetzung des Streitwertes nicht zu berücksichtigen. Eine gestaffelte Festsetzung des Streitwertes hat daher zu unterbleiben.
- Wird dem Prozessbevollmächtigten der Beklagtenseite nur die teilweise zurückgenommene Klage zugestellt, entfaltet die Festsetzung des Streitwertes für die Gerichtsgebühren keine Bindungswirkung i.S.v. § 32 Abs. 1 RVG, da der Gegenstand der gerichtlichen Streitwertfestsetzung sich vom Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit unterscheidet.
- Für die Durchführung des Kostenfestsetzungsverfahrens ist sodann die Stellung eines Antrages auf Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG erforderlich.
- Im Falle der fehlenden Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG ist eine im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten nach § 32 Abs. 2 RVG eingelegte Streitwertbeschwerde unzulässig, da der Rechtsanwalt durch die Festsetzung des Streitwertes für die Gerichtsgebühren nicht beschwert ist (insofern entgegen: KG, Beschl. v. 2.3.2018 – 26 W 62/17).
LG Stendal, Beschl. v. 14.12.2018 – 25 T 116/18
1 Sachverhalt
Mit Schriftsatz v. 20.12.2016 erhob der Kläger Klage zum AG. In diesem Schriftsatz kündigte er insgesamt 13 Anträge an. U.a. begehrte er die teilweise Herausgabe eines Grundstücks, den Rückbau einer Betonplatte, die Beseitigung von Bepflanzungen, die Festsetzung einer Ordnungsstrafe sowie die hälftige Kostenübernahme aus einem Grenzfeststellungsverfahren zum Aktenzeichen 3 C 161/12. Außerdem kündigte der Kläger verschiedene Feststellungsanträge betreffend eines Anbaus und eines Überbaus an.
Das AG setzte den Streitwert vorläufig auf 7.680,61 EUR fest und wies den Kläger darauf hin, dass das AG aufgrund dieses Streitwertes nicht zuständig sei.
Am 31.12.2016 reichte der Kläger eine veränderte Klageschrift ein, in der nur noch die Anträge 1–5 und 7 angekündigt wurden. Eine Zustellung der Klage erfolgte sodann mit Verfügung v. 2.2.2017.
Nachdem der Kläger mit Schriftsatz v. 8.8.2018 die Klage zurücknahm und die Beklagten dieser Klagerücknahme telefonisch zustimmten, bestimmte das AG mit Beschl. v. 8.8.2018, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Den Streitwert hat das AG auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer im eigenen Namen Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die amtsgerichtliche Entscheidung unberücksichtigt lasse, dass die Klage ursprünglich mit einem Streitwert von 7.680,00 EUR erhoben worden sei.
Das AG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage nur in ihrer reduzierten Form zugestellt worden und somit nur ein Streitwert von 5.000,00 EUR festzusetzen sei.
Der Einzelrichter der Kammer hat die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung der Kammer übertragen. Die Beteiligten erhielten mit dem Übertragungsbeschluss rechtliches Gehör zum Beschwerdeverfahren, sie haben sich zur Sache nicht geäußert.
2 Aus den Gründen
Die Kammer macht von der ihr eingeräumten Möglichkeit des § 63 Abs. 3 GKG Gebrauch und ändert den festgesetzten Streitwert von Amts wegen ab, da dieser durch das AG unzutreffend festgesetzt wurde (1.). Die Beschwerde des Beklagtenvertreters ist indes unzulässig, da er durch den Beschluss des AG nicht beschwert ist, da dieser keine Bindungswirkung i.S.v. § 32 RVG entfaltet (2.).
1. Zutreffend hat das AG den Streitwert für die Klage in ihrer Fassung v. 20.12.2016 mit 7.680,61 EUR festgesetzt. Die Kammer schließt sich der Bewertung der einzelnen Anträge insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Mehrzahl der Anträge unpräzise formuliert sind und daher eine weite Auslegung zulassen und unter Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstandes nach eigener Überprüfung an. Sie ist auch von den Beteiligten nicht angegriffen worden. Die Bewertung der Klage in ihrer Fassung v. 31.12.2016 mit 5.000,00 EUR überzeugt jedoch nicht, da nach eigener Bewertung des AG, der auch die Kammer beitritt, unter Wegfall der Anträge 6, 8 und 13 nur noch ein Streitwert von 4.080,00 EUR verbleibt, so dass die Gebührenstufe von bis zu 5.000,00 EUR erreicht ist.
Unzutreffend hat das AG jedoch angenommen, dass nur die Klage in ihrer Fassung v. 31.12.2016 streitwertbestimmend ist, da die Klage nur mit diesem Wert zugestellt worden sei.
Der relevante Zeitpunkt der Berechnung des Wertes ergibt sich aus § 40 GKG, wonach der Zeitpunkt der Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, maßgebend ist. In zivilrechtlichen Angelegenheiten ist in der Rspr. anerkannt, dass auf den Eingang der Klageschrift und nicht auf die Zustellung der Klageschrift abzustellen ist (BDPZ/Dörndorfer, 3. Aufl., 2014, GKG § 40 Rn 3). Hiervon ausgehend war der Streitwert bei Eing...