ZPO § 4

Leitsatz

  1. Nebenforderungen sind der Rechtsmittelbeschwer lediglich dann zuzurechnen, wenn sie als Hauptforderung anzusehen sind, § 4 Abs. 1 a.E. ZPO. Ist die Hauptforderung noch Verfahrensgegenstand, ist die Nebenforderung wertmäßig auch hinsichtlich der Beschwer nicht berücksichtigungsfähig
  2. Vor der Verwerfung einer Beschwerde mangels ausreichender Beschwer ist nur dann eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde vom Beschwerdegericht nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Beschwerde zuzulassen, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, die 600,00 EUR übersteigt. Hierfür muss sich aus der angefochtenen Entscheidung ergeben, dass das erstinstanzliche Gericht ein Rechtsmittel für statthaft gehalten hat; die Wertfestsetzung genügt hierfür nicht (vorliegend offen gelassen wegen Fehlens eines Zulassungsgrundes).

OLG Köln, Beschl. v. 13.8.2018 – 10 UF 91/18

1 Sachverhalt

Der Antragsgegner ist Inhaber eines auf ihn umgeschriebenen Versäumnisbeschlusses des AG gegen den Antragsteller wegen Kindesunterhalt für dessen Tochter G, die seit November 2017 wieder beim Antragsteller lebt. Dieser hat sämtliche Unterhaltsrückstände beglichen und sodann Titelherausgabe begehrt; der Antragsgegner ist dem entgegen getreten, da nicht auszuschließen sei, dass G erneut in den Haushalt der Kindesmutter wechseln könnte, in diesem Fall erneut Unterhaltsvorschuss gewährt werden könnte und der Antragsgegner neuerlich regressberechtigt werde.

Das AG hat antragsgemäß die Herausgabe tituliert und den Antragsgegner zum Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von 120,48 EUR verurteilt; hierbei ist es von einem Wert von bis 500,00 EUR ausgegangen, da der Titel – unstreitig – derzeit erfüllt sei, aufgrund des Wohnsitzes der Tochter beim Antragsteller kein laufender Barunterhaltsanspruch bestehe und somit das Interesse sich lediglich nach der Gefahr eines Titelmissbrauchs bemesse, der bei dem Antragsgegner gegen Null tendiere.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und diese auch begründet.

2 Aus den Gründen

Die Beschwerde des Antragsgegners ist unzulässig, weil weder der gem. § 61 Abs. 1 FamFG maßgebliche Beschwerdewert erreicht wird, noch das AG die Beschwerde zugelassen hat oder diese zuzulassen wäre, § 61 Abs. 2, Abs. 3 FamFG.

1. Der Beschwerdewert ist nicht erreicht, weil die Sache einen Wert von lediglich bis zu 500,00 EUR hat; hierbei hat bereits das AG zu Recht darauf verwiesen, dass für den Herausgabeantrag das Interesse der Vermeidung einer drohenden Vollstreckung maßgebend ist, welches angesichts einer derzeit unstreitigen Erfüllung der titulierten Verpflichtung nicht in beschwerdefähiger Höhe angesetzt werden kann. Die ebenfalls zugesprochenen Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung sind indes, anders als die Beschwerde meint, der Beschwer nicht zuzurechnen. Nebenforderungen sind der Rechtsmittelbeschwer lediglich dann zuzurechnen, wenn sie als Hauptforderung anzusehen sind, § 4 Abs. 1 a.E. ZPO; ist die Hauptforderung aber – wie vorliegend – noch Verfahrensgegenstand, ist die Nebenforderung wertmäßig auch hinsichtlich der Beschwer nicht berücksichtigungsfähig (BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, FamRZ 2008, 684; BGH, Beschl. v. 20.5.2014 – VI ZB 49/12, NJW 2014, 3100). Die Wertbemessung des Ausgangsgerichts bindet hierbei den Senat nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 13.3.2013 – XII ZR 8/13, NJW-RR 2013, 1401; BGH, Beschl. v. 9.4.2014 – XII ZB 565/13, FamRZ 2014, 1100); vielmehr war diese ihrerseits von Amts wegen zu berichtigen.

2. Das AG hat die Beschwerde nicht gem. § 61 Abs. 2, Abs. 3 FamFG zugelassen. Weder der Tenor noch die Gründe der angefochtenen Entscheidung enthalten eine entsprechende Zulassung. Die erfolgte Rechtsmittelbelehrung stellt keine – gegebenenfalls konkludente – Zulassung der Beschwerde dar (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.2014 – XII ZB 565/13, FamRZ 2014, 1100); auch aus der erstinstanzlichen Wertfestsetzung – sei sie auch, wie vom Antragsgegner geschildert, mit Blick auf die Beschwerdemöglichkeit im Termin erörtert worden – folgt gerade keine implizite Zulassungsentscheidung.

Ob – das Vorbringen des Antragsgegners zu den Erörterungen in der Sitzung als richtig unterstellt – eine Zulassungsentscheidung nachzuholen wäre, kann dahinstehen.

Zwar ist nach der Rspr. des BGH (Beschl. v. 20.4.2010 – XII ZB 128/09, FamRZ 2010, 964; BGH, Beschl. v. 23.3.2011 – XII ZB 436/101, FamRZ 2011, 998; BGH, Beschl. v. 28.3.2012 – XII ZB 323/11, FamRZ 2012, 961) vor der Verwerfung einer Beschwerde mangels ausreichender Beschwer eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde vom Beschwerdegericht nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Beschwerde zuzulassen, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, die 600,00 EUR übersteigt. Allerdings muss hierfür aus dem angefochtenen Beschluss erkennbar sein, dass das erstinstanzliche Gericht ein Rechtsmittel für statthaft gehalten hat (BGH, Urt. v. 10.2.2011 – III ZR ...

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