RVG § 15 Abs. 5 S. 2; RVG VV Nrn. 3100 ff.
Leitsatz
Wird eine Kindschaftssache nach Ablauf von mehr als zwei Kalenderjahren seit ihrer Erledigung wieder aufgenommen, so liegt für den Anwalt eine neue Angelegenheit vor, in der er sämtliche Gebühren wieder erneut verdienen kann.
AG Karlsruhe, Beschl. v. 21.1.2019 – 7 F 114/13
1 Sachverhalt
In einem Sorgerechtsverfahren hatten sich die Eltern durch eine Zwischenvereinbarung am 27.11.2013 dahingehend geeinigt, eine Mediation bei der psychologischen Beratungsstelle durchzuführen und vorläufig die gemeinsame elterliche Sorge beizubehalten. Das FamG hat daraufhin das Sorgerechtsverfahren mit Beschl. v. selben Tage für ruhend erklärt. Daraufhin rechnete der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers im Februar 2014 seine Vergütung mit der Landeskasse ab. Die Vergütung wurde im Mai antragsgemäß festgesetzt und ausgezahlt. Auf gerichtliche Anfrage vom 11.8.2014 teilten die Beteiligten im September 2014 mit, dass eine endgültige Einigung noch in weiter Ferne stehe; das Mediationsverfahren dauere noch an und werde voraussichtlich noch bis Ende des Jahres 2015 laufen. Das Jugendamt teilte auf die gerichtliche Anfrage hin mit, dass die Eltern mit der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge einverstanden seien. Daraufhin wurde das Verfahren mit Verfügung vom 11.9.2014 gem. § 7 AktO weggelegt. Mit Schreiben vom 23.4.2015 bat der Antragstellervertreter das Verfahren nunmehr zum Abschluss zu bringen, erklärte jedoch später, dass ein weiteres gerichtliches Tätigwerden derzeit nicht erforderlich sei. Mit Schriftsatz vom 17.7.2017 stellte der Vertreter der Antragstellerin einen neuen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge. Dieser Antrag wurde dem Ursprungsverfahren zugeordnet, da dieses formal bislang noch nicht beendet worden war. Dieses Verfahren wurde sodann durch einen schriftlichen Vergleich nach § 36 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO erledigt. Hiernach beantragte der Vertreter der Antragstellerin die Festsetzung seiner weiteren Vergütung, darunter einer weiteren Verfahrens- und Terminsgebühr sowie einer Einigungsgebühr. Die Urkundsbeamtin hat die Vergütung festgesetzt, allerdings die zuvor im Jahr 2014 bereits gezahlte Vergütung in Abzug gebracht. Der hiergegen erhobenen Erinnerung hat die Urkundsbeamtin nicht abgeholfen und die Sache der Richterin vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Das als Erinnerung auszulegende Rechtsmittel des Antragstellervertreters ist zulässig und begründet.
Gem. §§ 55, 56 RVG ist gegen die Entscheidung über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung die Erinnerung statthaft. Hierüber entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges.
Der Vertreter der Staatskasse wurde im vorliegenden Erinnerungsverfahren gehört.
Dem Antragstellervertreter steht die von ihm geltend gemachte Vergütung i.H.v. 860,97 EUR vollumfänglich zu. Eine Anrechnung der im Jahr 2014 ausbezahlten Vergütung hat nicht zu erfolgen.
Eine Anrechnung der bereits festgesetzten Vergütung kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG unterbleiben. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob eine Erledigung des ursprünglichen Auftrages erfolgt ist und ob dem Rechtsanwalt für seine weitere Tätigkeit ein neuer Auftrag erteilt wurde (BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – VII ZB 69/05, Rn 1). Dies wurde in der vorgenannten Entscheidung vom BGH für den Fall verneint, wo ein Rechtsstreit über mehrere Jahre wegen Vorgreiflichkeit ausgesetzt gewesen war und sodann wieder aufgenommen wurde.
Von einer Erledigung der früheren Angelegenheit ist vorliegend spätestens im April bzw. Mai 2015 auszugehen. Anders als in der Entscheidung des BGH v. 30.3.2006 (a.a.O.) ist eine Erledigung der früheren Angelegenheit eingetreten, da die Eltern sich außergerichtlich auf die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge geeinigt haben. So bat der Antragstellervertreter mit Schreiben v. 23.4.2015 das Verfahren nunmehr zum Abschluss zu bringen. Außerdem teilte der Antragstellervertreter auf Nachfrage des Gerichts fernmündlich am 7.5.2015 mit, dass ein weiteres gerichtliches Tätigwerden derzeit nicht nötig sei. Dies bestätigt auch die Mitteilung des Jugendamts, dass die Eltern mit der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge einverstanden seien. Es wurde nunmehr durch den Antragstellervertreter durch Vorlage der entsprechenden auf den 13.7.2017 datierten schriftlichen Vollmacht hinreichend glaubhaft gemacht, dass seinem Schriftsatz vom 17.7.2017 ein neuer Auftrag zugrunde lag. Die Frist des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG war zum Zeitpunkt der Neubeauftragung bereits abgelaufen.
Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG sind damit erfüllt, sodass eine Anrechnung nicht zu erfolgen hat.
3 Anmerkung
Wird ein Anwalt in einer erledigten Sache erneut beauftragt, so liegt für ihn grds. nur eine einzige Angelegenheit vor (§ 15 Abs. 5 S. 1 RVG). Er erhält daher seine Gebühren und Auslagen nur einmal (§ 15 Abs. 2 RVG). Bereits vereinnahmte Vergütungen sind dann auf die weitere Vergütung anzurechnen, wobei es sich nicht um eine Anrechnung i.S.d. RVG handelt, so...