RVG VV Nr. 1000; BGB § 779
Leitsatz
- Wird im Rahmen der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall ein außergerichtlicher Abfindungsvergleich über eine Restzahlung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung geschlossen, bestimmt sich der für die Anwaltskostenerstattung maßgebliche Gegenstandswert für den Vergleich nur nach dem vereinbarten Restbetrag. Die vorher bereits erfolgten Schadensersatzzahlungen werden beim Gegenstandswert nicht berücksichtigt.
- Der Erledigungswert für die Einigungsgebühr wiederum beläuft sich nur auf die Höhe der vereinbarten Restzahlung.
AG Pinneberg, Urt. v. 23.1.2018 – 69 C 125/17
1 Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Freihaltung von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 398,06 EUR aus §§ 7, 17 StVG, §§ 823, 249 BGB, § 515 VVG.
Nachdem die Beklagte bereits 635,34 EUR auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten der Klägerseite überwiesen hat, stehen dem Kläger keine weiteren Rechtsanwaltskosten zu. Insbesondere war der Streitwert für die Einigungsgebühr nicht höher als mit den angesetzten 1.000,00 EUR zu berechnen. Nach vorbehaltsloser Zahlung von insgesamt 3.616,50 EUR in der Hauptsache waren zur Zeit der Abfindungserklärung nur noch 2.000,00 EUR im Streit, wovon gem. der Vereinbarung 1.000,00 EUR gezahlt werden sollten, unabhängig von der Formulierung, dass damit alle vergangenen gegenseitigen und zukünftigen Ansprüche aus dem Schadensereignis vorbehaltlos abgefunden sein sollten, denn mehr als 2.000,00 EUR waren nicht konkret im Streit. Die vorliegende Abfindungserklärung mag dazu führen, dass der Kläger nicht nur in Bezug auf 1.000,00 EUR Schmerzensgeld, sondern insgesamt auf das gezahlte Schmerzensgeld endgültig abgefunden ist, nicht aber, dass von Anwaltsseite über den Gesamtbetrag an der Einigung mitgewirkt wurde, da die Beklagte nach Erhalt der Unterlagen bereits 3.616,50 EUR an den Kläger gezahlt hatte.
Im Verhältnis zu der Beklagten war nur der Gegenstandswert anzusetzen, den diese als berechtigt anerkannt hat, weil keine Vereinbarung über die Kostentragung geschlossen worden ist.
2 Anmerkung
Nicht selten kommt es bei der außergerichtlichen Schadensregulierung dazu, dass der Versicherer Teilzahlungen leistet und man sich dann auf eine abschließende Schlusszahlung einigt.
Hinsichtlich der Geschäftsgebühr ergeben sich keine Probleme. Der Gegenstandswert der Geschäftsgebühr bemisst sich nach der Summe aller Schadenspositionen, die der Anwalt geltend machen sollte. Diese Geschäftsgebühr ist dann nach dem sog. Erledigungswert zu erstatten, also nach dem Gesamtwert aller Schadenspositionen, die vom Versicherer reguliert worden sind.
Mit der Einigungsgebühr verhält es sich dagegen differenzierter. Die Einigungsgebühr fällt nämlich nur aus denjenigen Schadenspositionen an, über die man sich geeinigt hat. Sind zuvor Teilzahlungen geleistet worden, so ist zu differenzieren:
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Haben die Teilzahlungen zu einer Erfüllung bestimmter Schadenspositionen geführt, dann sind diese damit aus dem Streit und können von der Schlusszahlung nicht mehr erfasst sein. |
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Sind die Teilzahlungen dagegen ohne Erfüllungswirkung geleistet worden, also als Vorschuss zur beliebigen Verrechnung, dann sind alle Schadenspositionen weiterhin im Streit geblieben und folglich durch die Schlusszahlung einigungsweise erledigt worden. |
Beispiel
Der Anwalt macht für den Geschädigten geltend:
Sachschaden |
8.000,00 EUR |
Kostenpauschale |
30,00 EUR |
Wertminderung |
500,00 EUR |
Mietwagenkosten |
1.000,00 EUR |
Schmerzensgeld |
800,00 EUR |
Gesamt |
10.330,00 EUR |
a) Der Versicherer zahlt den Sachschaden, die Kostenpauschale und die Wertminderung mit insgesamt 8.530,00 EUR.
Später einigt man sich, dass auf Mietwagenkosten und Schmerzensgeld ein Betrag i.H.v. 1.200,00 EUR gezahlt werde.
Die Geschäftsgebühr ist für den Anwalt angefallen aus dem Gesamtbetrag, also aus 10.330,00 EUR.
Die Einigungsgebühr ist dagegen nur aus dem Wert von Mietwagenkosten und Schmerzensgeld angefallen, also aus 1.800,00 EUR.
Zu erstatten ist die Geschäftsgebühr aus dem Gesamtwert aller berechtigten Ansprüche, also aus 9.730,00 EUR.
Die Einigungsgebühr ist zu erstatten aus dem Betrag, der aufgrund der Einigung gezahlt worden ist, also aus 1.200,00 EUR.
Die Abrechnung mit dem Mandanten sieht daher wie folgt aus:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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785,20 EUR |
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(Wert: 10.730,00 EUR) |
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2. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV |
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225,00 EUR |
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(Wert: 1.800,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.030,20 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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195,74 EUR |
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Gesamt |
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1.225,94 EUR |
Zu erstatten ist folgende Vergütung:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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725,40 EUR |
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(Wert: 9.730,00 EUR) |
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2. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV |
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172,50 EUR |
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(Wert: 1.200,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
917,90 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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174,40 EUR |
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Gesamt |
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1.092,30 EUR |
b) Der Versicherer zahlt 8.000,00 EUR akonto zur beliebigen Verrechnung. Später e...