§ 31 Abs. 4 GKG
Leitsatz
Eine Freistellung von Gerichtkosten im Falle eines gerichtlichen Vergleichs kommt für die bedürftige Partei nur dann in Betracht, wenn der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts geschlossen wird. Fehlt es daran, kann auch die Erklärung des Gerichts, dass die Kostenregelung im Vergleich der zu erwartenden Kostenentscheidung entspreche, nicht zur Kostenbefreiung führen.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.12.2020 – 9 W 18/20
I. Sachverhalt
Der Beklagten war für die Verteidigung gegen die Klage PKH bewilligt worden. Das Verfahren endete schließlich durch einen Prozessvergleich, dessen Zustandekommen durch das Gericht nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde. Im Vergleich war hinsichtlich der Kosten vereinbart, dass diese gegeneinander aufgehoben werden. Antragsgemäß hat das Gericht zusätzlich festgestellt, dass die im Vergleich vereinbarte Kostenquote der zu erwartenden Kostenentscheidung entspreche. Der Urkundsbeamte hat daraufhin die Gerichtkostenabrechnung vorgenommen und sämtliche angefallenen Gerichtskosten mit der Vorauszahlung des Klägers verrechnet. Hiergegen hat der Kläger Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, dass der auf den Beklagten entfallende Anteil der Gerichtskosten bei ihm gem. § 31 Abs. 4 GKG nicht erhoben werden dürfe, da der Beklagten PKH bewilligt worden sei. Soweit nach der vereinbarten Kostenregelung die bedürftige Beklagte Gerichtskosten zu tragen habe, seien ihm die verauslagten Gerichtskosten zurückzuzahlen (§ 31 Abs. 4, Abs. 3 S. 1, 2. Hs. GKG). Das Gericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
II. Voraussetzungen der Kostenbefreiung
Nach § 31 Abs. 3 S. 1, 1. Hs. GKG darf die Kostenhaftung der vermögenden Partei nicht geltend gemacht werden, soweit die bedürftige Partei als Entscheidungsschuldner hierfür haftet. Bereits vorausgezahlte Gerichtskosten sind zurückzuzahlen (§ 31 Abs. 3 S. 1, 2. Hs.). Das Gleiche gilt nach § 31 Abs. 4 GKG, wenn ein Vergleich geschlossen wird und die dortigen Voraussetzungen beachtet werden. Dazu gehört,
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dass der Vergleich vor Gericht geschlossen oder gegenüber dem Gericht angenommen wird (Nr. 1), |
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der Vergleich einschließlich der Kostenverteilung vom Gericht vorgeschlagen worden ist (Nr. 2) |
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und das Gericht in seinem Vergleichsvorschlag ausdrücklich festgestellt hat, dass die Kostenregelung der ansonsten zu erwartenden Kostenentscheidung entspricht (Nr. 3). |
Hier fehlt es an der zweiten Voraussetzung. |
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Der Vergleich ist im zugrunde liegenden Fall nicht vom Gericht vorgeschlagen worden. Er ist vielmehr von den Parteien abgeschlossen und dem Gericht zur Feststellung unterbreitet worden. Damit sind die Voraussetzungen des § 31 Abs. 4 GKG nicht gegeben.
Es liegt hier auch nicht der Ausnahmefall vor, dass das Gericht sich die Vergleichsvorschläge der Parteien zu eigen gemacht und selbst unterbreitet hat.
Daher ist angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 31 Abs. 4 GKG eine Befreiung der Beklagten von den Gerichtskosten nicht eingetreten. Dies wiederum hat zur Folge, dass dem Kläger in Höhe der von der Beklagten übernommenen Gerichtskosten kein Rückzahlungsanspruch gegen die Landeskasse zusteht.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Bewilligung von PKH hat keinen Einfluss auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten (§ 123 ZPO). Dies wird in der Praxis häufig nicht beachtet.
Kein Problem ergibt sich, soweit die bedürftige Partei hinsichtlich der Gerichtskosten als Entscheidungsschuldner nach § 29 Abs. 1 GKG haftet. In diesem Fall werden bei der erstattungsberechtigten Partei die Gerichtskosten erst gar nicht erhoben bzw. die erhobenen Gerichtsgebühren zurückgezahlt (§ 31 Abs. 3 S. 1 GKG), sodass damit dem Erstattungsantrag des Gegners der Boden entzogen wird.
Beispiel 1
In einem Rechtsstreit hatte der Kläger eine 3,0-Gebühr (Nr. 1210 GKG-KostVerz.) vorausgezahlt. Dem Beklagten wird PKH bewilligt. Es ergeht später ein Urteil, mit dem der bedürftige Beklagte teilweise verurteilt wird und die Kosten gegeneinander aufgehoben werden.
Dem Kläger würde jetzt an sich ein Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der hälftigen Gerichtsgebühr, also 1,5, erwachsen. Nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG erhält er jedoch diese 1,5-Gerichtsgebühr aus der Landeskasse zurückerstattet, sodass bei ihm ohnehin nur die 1,5-Gebühr verbleibt, die er selbst zu tragen hat. Eine Inanspruchnahme des Beklagten im Wege der Kostenerstattung kommt daher nicht in Betracht.
Diese Freistellung einer Partei, der PKH bewilligt worden ist, greift dagegen nicht ohne Weiteres, wenn sie als Übernahmeschuldner haftet, also wenn sie die Kosten durch einen Vergleich übernommen hat.
Beispiel 2
Wie vorangegangenes Beispiel. Die Parteien vergleichen sich über die Hauptsache und heben im Vergleich die Kosten gegeneinander auf.
Jetzt ist der Beklagte nicht Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG), sondern Übernahmeschuldner (§ 29 Nr. 2 GKG). Die Freistellung nach § 31 Abs. 3 S. 2 GKG greift nicht. Der Kläger erhält lediglich eine 2,0-Gebühr zurück, da sich die Gerichtsgebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr....